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Schönfließ-Prozess: "Aufgeputscht, berauscht, handlungsfähig"

Im Prozess um die Todesschüsse von Schönfließ sagten Gutachter aus: Das Opfer stand unter „extremem“ Kokain-Einfluss, auch Spuren von Cannabis und Valium fand ein Mediziner.

Neuruppin – Es war die Stunde der Gutachter, vor dem Landgericht Neuruppin sollten sie am Donnerstag Details zu den tödlichen Schüssen eines Berliner Polizisten auf einen Serientäter in Schönfließ (Oberhavel) am Silvesterabend 2008 klären. Fest steht nach Auskunft eines Chemikers vom Landeskriminalamt (LKA) nun, dass der Hauptangeklagte Reinhard R. (36) aus maximal eineinhalb Metern auf das in einem gestohlenen Jaguar sitzende Opfer, den damals 26 Jahre alten Dennis J., gefeuert hat. Die Anklage wirft dem Zivilfahnder Totschlag vor, seinen beiden mitangeklagten Kollegen Olaf B. (33) und Heinz S. (60) versuchte Strafvereitelung im Amt, weil sie R. nach dem Vorfall gedeckt haben sollen.

Der LKA-Experte bestätigte mit den Ergebnissen anhand von Schmauchspuren an der Fahrertür die Anklage, wonach R. aus nächster Nähe durch die Seitenscheibe geschossen haben soll. Ansonsten brachten die Gutachter wenig Neues. Ein Rechtsmediziner beschrieb, dass die Kugel bei dem Lungensteckschuss die Hauptschlagader beschädigte und so zum Tod führte. Dennis J. stand unter „extremem“ Kokain-Einfluss, auch Spuren von Cannabis und Valium fand der Mediziner. Über Dennis J. sagte er: „Aufgeputscht, berauscht, handlungsfähig.“ Ein Waffenexperte des LKA spielte schließlich mögliche Schussbahnen und mögliche Abfolgen am Tatort durch. Er hielt auch eine Variante für möglich, die dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft entgegensteht. Laut Anklage war der erste Schuss auf Dennis J. tödlich, der Motor des Wagens lief nicht. Laut Experte muss der Wagen aber nicht gestanden haben, die genaue Position des Schützen lässt sich nicht bestimmen. „Es kann nicht auf den Millimeter genau festgestellt werden, was passiert ist. Damit müssen wir uns abfinden“, sagte der Vorsitzende Richter.

Dabei hatten Verteidiger und Nebenkläger zum Prozessauftakt Anfang Mai noch vermutet, das Verfahren werde durch Gutachter entschieden, nicht durch Zeugen. Ein Experte hatte bislang die Sicht der Verteidiger gestützt, wonach R. aus Notwehr gefeuert hätte. Anhand der Glassplitter der zerstörten Seitenscheibe folgerte der KfZ-Sachverständige, Dennis J. sei bereits gefahren, als Reinhard R. auf ihn schoss.

Dagegen hatten Zeugen den Angaben der Angeklagten widersprochen. Zwei 15 und 16 Jahre alte Schwestern wollen den ersten Schuss gehört haben, als der Motor des Autos von Dennis J. noch nicht lief. Ein am Tatort wohnender Polizist hatte die Schüsse auch als solche erkannt. Dagegen wollen die mitangeklagten Zivilfahnder die Schüsse ihres Kollegen für Silvesterböller gehalten und sonst nichts bemerkt haben. Am Donnerstag nächster Woche wird der Prozess fortgesetzt, ein Schwager und ein Bekannter des Opfers, weitere Polizisten und ein Psychiater sollen gehört werden. Alexander Fröhlich

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