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Schule: Der Herr der Reifen

Benjamin Sieglinski ist 21 Jahre alt und Deutschlands bester Kfz-Mechaniker

Angefangen hat alles mit der Motorhaube als Schlitten. Als Benni fünf Jahre alt war, hat der Vater im Winter eine umgedrehte alte Motorhaube mit dem Abschleppseil an seinen alten 5er BMW geschnallt, und dann ging er mit Benni und seinen Kumpels motorisiert Schlittenfahren. „War das schnell! Und was war das für ein Spaßauto“, sagt Benni. Heute ist er Deutschlands bester Kfz-Mechaniker.

Dabei ist er gerade mal seit einem Jahr mit seiner Ausbildung fertig. Aber genau für diese jungen Gesellen ist der Wettbewerb der Handwerkskammer um den Titel des Besten der Zunft gedacht. Im vergangenen November konnte Benjamin Sieglinski, genannt Benni, am Schnellsten von allen Gesellen Deutschlands 16 Schäden an den Testautos feststellen und wusste, wie das zu reparieren ist. Im Alltag arbeitet der beste Mechaniker Deutschlands an bayerischen Autos in Berlin. Ein Werkstattbesuch.

Morgens in der Werkhalle von BMW in Moabit riecht die Welt seifig nach Handwaschpaste und kaum nach Tankstelle, nach Öl oder Benzin. Es ist leiser als man sich so eine Werkstatt vorstellt, in der geschraubt wird oder Beulen rausgehauen werden. Roten Steinfußboden hat die Halle, darauf platziert sind 16 Hebebühnen, außerdem gibt es noch einfache Reparatur-Stellplätze. Auf einem davon steht ein schwarzer M6, das ist BMWs Luxus-Mischling aus Rennauto und Familienkutsche. Die Fahrertür ist offen, und mit einer Pobacke sitzt Benni im Auto, drückt ein Knöpfchen des Armaturenbretts und wartet, bis das Display den Schriftzug „Service Menü“ aufblinkt.

Jetzt kann er den Diagnosekopf einstöpseln, das ist so etwas wie ein intelligentes Stethoskop. Meistens beschäftigt sich der moderne Kfz-Mechaniker nämlich mit Gehirnen, mit Auto-Gehirnen: Der Diagnosekopf fragt diesen M6 hier, was er denn so hat. Benni kann dann auf dem Bildschirm des Computers, der auf der Werkbank am Kopf des Autos steht, sehen, was das Problem ist. Dieses Auto klagt über seinen Mikrofilter. Der solle ausgetauscht werden, bitte.

Also hüpft Benni aus dem Auto heraus, holt zwei Schachteln, die neuen Filter, öffnet die Motorhaube, es macht klick!, mit zwei Handgriffen holt er die alten Filter heraus, samt angesammeltem Laub und Staubwolken, schon hat er die neuen ausgepackt und mit den Schnappverschlüssen wieder eingesetzt. Alles, was Benni tut, ist flink. Er flitzt durch die Werkhalle, ein Blick und der Satz „Klappt doch!“ hinüber zu einem Azubi, der gerade an einem goldfarbenen Mini schraubt, und schon steht er vor der Werkbank und tippt eine Notiz in den Computer.

Die Werkstatt ist strikt organisiert: Benni gehört mit drei Kollegen zum „Spezialteam“, und das hat seinen Platz in der Werkhalle hinten links, in „Heinzis Ecke“. Heinzi ist der Spitzname von Ingolf Heinz Ruhle, und der ist Bennis direkter Chef. Sie heißen Spezialteam, weil die vier Männer sich „ vor allem um Problemkunden und Problemautos kümmern“, sagt Ingolf Heinz Ruhle. Meist hat beides etwas mit Software-Problemen zu tun: Entweder versteht der Mensch die Maschine nicht, und regt sich entsprechend auf, oder das Computerprogramm hat wirklich einen Fehler. Erstes Problem wird durch „Ruhig bleiben, zuhören und erklären“ gelöst, zweites mit dem Diagnosekopf. „Der ist mein Direktdraht nach München“ sagt Ruhle, der gelernte Kommunikations-Elektriker. Er ruft dann nämlich die Kollegen in der Zentrale an, sagt zum Beispiel: „Spiel mir mal den Bedienungsmodus so und so rüber“, das tun die Kollegen, und dann wird die kränkelnde Software im Auto gelöscht und direkt mit frischen Programmen aus der BMW-Zentrale in München ersetzt. „Den retten wir!“ ruft Michi Müller. Ein Mann mit grauen Locken, gegerbtem Gesicht und Bauch steht vor dem hochgebockten Kombi, ein dünner Faden braune Brühe läuft aus dessen Unterbau hinunter in einen Kanister. „Von ihm und seinen Kollegen, den Motorenspezialisten, hab ich am meisten gelernt“, sagt Benni. Das Auto leckt, weil Kondenswasser in den Motor gelaufen ist. „Das sind die Kurzstreckenfahrer“, schimpft Michi Müller. Das Fahrverhalten der Kunden verrät ihm auch der Computer. Aber richtig spannend wird es für „den Doktor der Fortbewegung“, wie er sagt, wenn er selbst suchen muss: „Der Rechner gibt uns ja nur eine Richtung an, sagt, zwischen diesem und jenem Teil stimmt etwas nicht“. Was genau nicht stimmt, ist seine Puzzlearbeit. Einmal haben sie sechs Wochen an einem Fehler getüftelt, weil ein Signal nur bei Minusgraden falsch funktionierte.

Nach jedem Auftrag trägt Benni seine Arbeitsstunden ein, in den Computer im Personalraum. Für jede Reparatur gibt es einen vorgeschriebenen Arbeitswert. Jeder Mechaniker hat ein Soll- und Habenkonto. Benni ist im Soll. Das sind viele seiner Kollegen, denn oft dauert es länger, einen Fehler zu finden, als das Arbeitswertprogramm es vorsieht. „Ich arbeite lieber ordentlich. Zeit sparen, indem man ein Kabel anders verlegt, als es soll, das mache ich nicht“, sagt Benni. Er findet seinen Job auch dann am spannendsten, „wenn es um Problemfälle geht, und nicht um stumpfes Inspektionsschrauben“.

Für Benni ist ein Auto am ehesten vergleichbar mit „einem komplexen Softwareprogramm oder einem Computer“. Nun, aber die Leidenschaft, die bekommt ihn, „sobald ein schnelles Auto da ist.“ So wie dieser schwarze M6, schon der zweite an diesem Tag. Der hier hatte eine Tankanzeige, die verrückt spielte. Benni mussten den Tank entleeren, hat das Softwareproblem behoben, und tankt das Auto nun aus einer Flasche, die auf einem Sackkarren steht, wieder auf. Dabei rasselt ihm ein Autofakt nach dem anderen aus dem Mund. Was dieses Auto alles kann: Sportmodus, elektronische Geschwindigkeits-Abregelung, Stabilisierungskontrolle abschaltbar, die Option Rennstart. Dabei schaltet der Wagen völlig automatisch, man muss nur das Gas durchtreten, und auf Knopfdruck fährt das Auto los. „Das fliegt los, ich finde dieses Auto Wahnsinn“, sagt er. Privat fährt Benni einen alten 3er-BMW, eigentlich schneeweiß, sagt er, gerade vom Winterwetter dunkelbraun. Sein Auto muss „schlicht aussehen und richtig Dampf haben“. So richtig toll findet er eine alte Cobra oder einen Dodge Challenger. Kosten viel Geld, ja. „Aber unabhängig davon sind meine Traumautos zu schnell für mich“, sagt er. „Ich bin so ein Typ, der dann den Führerschein abgeben muss.“

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