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Schule: Ein Auto wie ein Teddybär

Der Aygo von Toyota ist der kleine Wagen für Zwischendurch - groß genug für fünf Teenager auf dem Weg zu Disko

Das Entwicklungsziel aller Kleinwagen dieser Welt ist gegenwärtig klar definiert: Der Betrachter muss nach wenigen Sekunden „Niedlich!“, „Knuddlig!“, „Knuffig!“ oder auch „Zum Knutschen!“ ausrufen. Familienkutschen dagegen sollen bequem aussehen, Coupés irgendwie ferrarihaft, Dienstwagen haben Prestige eimerweise vor sich her zu schieben und Luxuslimousinen sozialverträglich verpackte Perfektion. Kleinwagen aber sind die Teddybären der Branche, stupsnasig, rund über alle Ecken, gern mit dem Hauch von schon mal irgendwo gegengefahren.

Der neue Toyota Aygo (vermutlich Multikulti-Pidgin-Neusprech für „I go“) macht keine Ausnahme von dieser Regel. Einen „City-Kompakten“ nennen ihn die Werber, und mit einem Basispreis von 8950 Euro tritt er gegen Twingo, Ka, Panda und VW Fox an, außerdem gegen Citroen C1 und Peugeot 107 – diese beiden Wagen wurden sogar zusammen mit dem Aygo entwickelt, und sie werden ebenso wie er im tschechischen Kolin gebaut, auf identischer technischer Basis in jeweils markentypischem Design.

Der Aygo ist mit einer Länge von 3,41 Metern der kleinste europäische Toyota. Raumwunder sind deshalb ausgeschlossen. Zwei große Erwachsene sitzen bequem, zwei Kinder dazu gehen gerade so, sofern sie nicht mehr als jeweils einen Schulranzen dabei haben. Vermutlich passen sogar fünf giggelnde 18-Jährige hinein, wenn sie Idealgewicht nebst leichter Kleidung mitbringen und nur bis zur nächsten Diskothek aushalten müssen. Dass sie beim ersten Kennenlernen „Ist der knuffig!“ sagen, ist auf jeden Fall garantiert. Das teddybärenhafte, je nach Blickwinkel auch leicht ins Froschartige tendierende Design tut seine Wirkung, zumal es sich nach drinnen bruchlos fortsetzt. Grauer und schwarzer Kunststoff in etwa fünf Dutzend verschieden gefrickelten Oberflächen, dazu, der Preisklasse angemessen, reichlich Restblech, vorn in der Mitte statt einer ausgewachsenen Konsole nur ein knubbliger Vorbau, der das Radio trägt; Heizung und optionale Klimaanlage hängen darunter in einem milchweißen Behälter, der an die Wassertanks von Dampfbügeleisen erinnert.

Der runde Tacho hockt oben auf der Lenksäule, reicht bis 170 und dämpft damit rasch alle Illusionen sportlicher Art. Im Spitzenmodell Aygo Club wächst seitlich noch ein Drehzahlmesser heraus wie der Sohn vom Tacho, allerdings als rein optischer Gimmick. Ein technischer Sinn ist nur schwer erkennbar, denn das Ein-Liter-Dreizylindermotörchen mit 50 kW (68 PS) giert keineswegs nach der dort rot markierten Grenze von 6500 U/min; ab dem dritten Gang erreicht es sie so wenig wie den Mond.

Aber Rennen und Lärmen ist für derlei Autos ohnehin kein Thema. Man könnte sagen: Sie finden ihre Erfüllung schon beim Halt an der Ampel. Auf den Aygo prasseln, richtige Ortswahl vorausgesetzt, die beifälligen Blicke nur so nieder. Wer am Steuer sitzt, auf den fällt der Ruhm des schlauen Prestigeverzichtlers, der den Winzling, wer weiß, normalerweise im Kofferraum seines Lexus aufbewahrt und ihn vor allem zum Einkaufen und zum Vorfahren bei Charity-Parties herausholt. Doch bei Grün macht sich der Aygo beherzt vom Hof, steht niemandem im Weg und vermittelt auch auf der Stadtautobahn ausreichend Fahrspaß. Draußen vor der Stadt allerdings wird er auf der Überholspur von den Großen sehr herumgeschubst, lässt sich aber mit Tempo 140 bei erträglichem Fahrgeräusch recht angenehm bewegen, zumal die geschwindigkeitsabhängige Servolenkung dem Fahrer immer das Gefühl vermittelt, er habe die Sache im Griff.

Kurze, harte Stöße schluckt das Fahrwerk mit deutlich formuliertem Unwillen, auf dem weltweit gefürchteten Nord-Berliner Kopfsteinpflaster schlägt es sich den Umständen entsprechend sogar recht gut. Das Tom-Tom–Navigationssystem (650 Euro), zum Mitnehmen in eine Ablage oben auf der Armaturentafel eingepflanzt, wankt dann besorgniserregend und blinzelt hysterisch mit seiner Betriebs-LED, aber die Anzeige selbst bleibt stur auf Kurs. Jedenfalls, bis sie unvermittelt in den Reklame–Modus umschaltet und dem Fahrer, der eben noch auf der Suche nach der Schönfließer Straße war, den Namen des Softwarelieferanten mitteilt – vermutlich erleben wir hier das Vordringen der Pausenwerbung ins Auto, was angesichts des günstigen Systempreises kein Skandal wäre.

Auch wenn die Grundversion alles unbedingt Notwendige enthält und auch mit Kopf– und Seitenairbags glänzt, wird sich die Begehrlichkeit der meisten Agyo-Käufer eher auf die Version „City“ richten, die für 9950 Euro überdies Fensterheber vorn, Isofix-Befestigungen, geteilt klappbare Rücksitzlehne sowie das etwas schmächtig tönende CD-Radio umfasst; der Nutzen der Club-Version mit Leichtmetallrädern, Drehzahlmesser und Nebelscheinwerfern (10 650 Euro) ist dagegen eher kosmetischer Natur. Für kulante 350 Euro Aufpreis gibt es jeweils die fünftürige Variante, die Klimaanlage ist für 950 Euro zu haben, und damit ist auch schon Schluss mit Aygo, jedenfalls bis Anfang 2006. Denn dann bietet Toyota auch einen 40-kW-Turbodiesel und ein automatisches Multi-Mode-Getriebe mit fünf Schaltstufen an. Damit wäre dann auch der nur widerstrebend einrastende Rückwärtsgang des Schaltgetriebes kein Thema mehr.

Knuffig, doch – ein Frosch, den man notfalls sogar küssen würde. Doch dann verwandelt er sich, wer weiß, in einen Lexus oder noch was Größeres. Wo er doch nur ein praktisches Stadtauto sein soll. Und das ist er zweifellos auch im ungeküssten Zustand.

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