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Ringewerfen gehört zum Unterhaltungsprogramm für die Grundschüler zwischen sechs und zwölf Jahren, das der Verein Oranje mit Camp-Leiter Nico Rost (rechts) in den Ferien anbietet.

© Kai-Uwe Heinrich

Ferienangebot für Schüler in Berlin: Sport, Spiel, Sommer

Viel mehr als Bewegung: Elf Berliner Sportvereine bieten bei "Mein bewegter Sommer" Grundschulkindern zwei Wochen lang ein buntes Ferienprogramm.

Also, eines steht auf jeden Fall mal fest: Ali ist verdammt schwer beeindruckt von seiner eigenen Leistung. Er starrt auf die gelben und roten Plastikhütchen, die vor ihm stehen und murmelt ergriffen: „Wir konnte ich das nur machen?“ Pause. Dann noch mal: „Wie konnte ich das nur machen?“ Ist ja auch nicht gerade einfach, einen großen dünnen Spielzeugreifen genau um jenes Hütchen zu werfen, das am weitesten entfernt ist. Und vier Meter ist das Plastikteil auf jeden Fall weg. Da darf man als Sechsjähriger ja wohl stolz sein. Vor allem weil er nun in zwei Minuten dreimal mit dem Reifen ein Hütchen getroffen hat.

Damit liegt Ali jetzt erst mal vorn, das ist klar. Natalia, die Neunjährige, hat bei ihrem ersten Versuch den Reifen gleich mal in den Rücken von Sammy geschwungen, null Punkte also, und Sammy, sieben Jahre alt, weiße Baseballkappe, blaues Hemd, hat die Hütchen nur zweimal richtig anvisiert. Und im Hintergrund sagt Nico Rost: „Ali, dein letzter Wurf gibt drei Punkte.“ Ali spreizt seine Finger, dann zählt er ab. „Eins, zwei, drei.“

Beim Ringewerfen ist er der King, hier zwischen den mächtigen Bäumen auf der großen Wiese, mitten in einem riesigen Sportgelände am Spandauer Damm. Und Natalie hat zwar nicht getroffen, gibt anderen aber trotzdem Tipps, wie sie schleudern müssen.

Nico Rost beobachtet es zufrieden. So soll es ja sein, die Kinder sollen Spaß haben, sie sollen sich unterstützen, hier geht’s nicht um Leistung. Hier ist ein Freizeitcamp für Berliner Grundschulkinder, und Rost ist der Camp-Leiter. Die Anlage gehört zu Oranje, dem Verein, in dem Rost eigentlich Fußballtrainer ist. Aber jetzt kümmert er sich mit drei weiteren Betreuern um 20 Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren.

70 Euro für zwei Wochen

Das Oranje-Camp ist Teil eines umfassenden Ferienprogramms, veranstaltet von der Landessportjugend und unterstützt von der Senatsverwaltung für Bildung. „Mein bewegter Sommer in Berlin“, heißt das Angebot. Der Gedanke dabei: Kinder, deren Eltern sich einen Urlaub nicht leisten können oder keinen Urlaub mehr haben, sollen kurzweilige Tage bekommen – mit Sportarten wie Kanufahren, Fußball und Bogenschießen, mit Kreativangeboten wie Töpfern oder verschiedenen Ausflügen. Man kann es auch anders ausdrücken. So wie Rost: "Wir wollen sie auch von der Konsole wegholen, vom Computer.“

Elf Berliner Vereine übernehmen, verteilt auf die gesamte Ferienzeit, die Betreuung. Der Heiligenseer Kanu-Club ist ebenso dabei wie SC Eintracht Berlin in Marzahn-Hellersdorf oder SJC Arena in Treptow-Köpenick. Insgesamt 270 Kinder sind in den Camps, betreut jeweils zwei Wochen lang. Pro Kind kostet es 70 Euro, mit Berlin-Pass die Hälfte. Die Senatsverwaltung für Bildung steuert fürs Gesamtbudget noch 100 000 Euro dazu.

Neue Sportarten kennenlernen

Den Beginn der Camp-Tage legt der Verein fest, irgendwann zwischen acht und neun Uhr. Im Schnitt bewegen sich 20 Kinder in jedem Ferienlager, es gibt aber auch ein Camp mit 30 Kindern. Kein Problem, die Zahl der Betreuer ist entsprechend angepasst. Nur Klubs, die genügend Trainer stellen können, durften sich beim LSB bewerben. Seit 2015 gibt es das Programm, und Rost spricht wohl für alle beteiligten Vereine. „Die Kinder sollen vor allem Bewegungsangebote haben und neue Sportarten kennenlernen. Und am Ende des Tages sollen sie mit einem Lächeln nach Hause gehen.“

In diesem Sommer sind die Camps ausgebucht. Wer sich für eine Teilnahme 2019 interessiert, kann sich auf der Website informieren (s. Hinweis unten). Dort stellt der Landessportbund im nächsten Jahr die neuen Angebote ein. Eltern können sich in eine Art Newsletterfunktion eintragen und werden benachrichtigt, wenn die Anmeldung freigeschaltet wird.

Rost und sein Team spielen mit den Kids Volleyball über ein niedrig gespanntes Netz oder Handball und Badminton. Es gibt Fangspiele, die Kinder gehen auch mal ins Schwimmbad. „Manchmal“, sagt Rost, der Sportmarketingstudent, drücken wir denen auch nur einen Wasserschlauch in die Hand. Das reicht schon.“

Kinder entwickeln selbst Ideen

Es ist ja sattsam bekannt: Kinder entwickeln selber Fantasie, sie müssen nicht unbedingt bespaßt werden. Rost hat zwar täglich ein Programm im Kopf, aber erst mal sollen die Kinder selber Ideen entwickeln. Also setzen sich die Betreuer und die jungen Teilnehmer morgens zusammen, und die Kinder dürfen Vorschläge machen. Volleyball war an diesem Tag ein Wunsch. Also spielen die Älteren in der Gruppe Volleyball. Die Jüngeren toben sich beim Ringewerfen aus. „Manchmal“, sagt Rost, „möchten einige auch eine Tanzchoreografie.“ Kein Problem, alles im Angebot. Und bei Regen gibt’s genügend Alternativangebote.

Die Kinder genießen. Paul, 12, Schüler am Herder-Gymnasium, spielt am liebsten Völkerball und freut sich, „dass man hier neue Kinder trifft“. Natalia wird mit dem Auto gebracht, die Anfahrt dauert 25 Minuten, aber es lohne sich, sagt sie. Sie trägt eine graue Baseballkappe und graue Leggings, geht auf die katholische Bernhard-Lichtenberg-Schule, besucht zum ersten Mal so ein Freitzeitcamp und sagt: „Mir gefällt es, dass man so viele Sachen ausprobieren kann.“

Auf der Baseballkappe von Zayneb steht „I love Berlin“, sie trägt einen gelben Fußball in der Hand, aus dem die Luft entwichen ist, und wirkt, als hätte sie Energie, um zwei Sportarten gleichzeitig machen. „Ich mag Handball“, sagt sie. Vor allem aber mag sie es, wenn Nico Rost Liegestütze macht: Sie darf dann auf seinem Rücken liegen. Er drückt sie mit hoch, so weit reicht seine Kraft. „Noch kann er es nur mit einem Kind“, sagt Zayneb . Sie würde ja gerne noch ihren Bruder auf Rosts Rücken platzieren. Der Bruder von Zayneb ist Ali, der King beim Ringewerfen. „Zayneb“, sagt Nico Rost, „ist die ganze Zeit am Lachen.“

Abends sind die Kinder positiv erschöpft, sagen die Eltern

Am Rand der Wiese stehen Biertische und Bierbänke. Hier essen die Betreuer und die Kinder, die Mahlzeiten werden in einem weißen Kastenwagen geliefert. Es gibt aber auch Camps, in denen gemeinsam gekocht wird, das entscheiden die Klubs. „Das Feedback der Eltern ist gut“, sagt Nico Rost. „Wir hören, dass die Kinder abends positiv erschöpft sind.“

Beim Ringewerfen hat jetzt auch Sammy seinen großen Auftritt. Er trifft mit einem roten Reifen ein rotes Hütchen. Ali blickt bewundernd. Einerseits. Andererseits muss er jetzt natürlich nachlegen, er hat ja einen Lauf. „Ich brauche mehr Reifen“, sagt er zu Rost. Mehr Reifen? Ja klar, kann er haben. Rost reicht sie weiter. Der nächste Wurf, Ali trifft wieder. Diesmal bleibt er stumm. Aber seine Augen, die leuchten.

Mehr Infos zu allen Aktionen unter www.bewegter-sommer.de

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