zum Hauptinhalt

Schule: Im Namen des Vaters

Fast 40 Jahre nach der Vorstellung des Originals baut Opel wieder einen GT. Der Neue ist Sportler und Schnäppchen zugleich

Die Legende brummt und scheppert. Sie ist eng. Die Kupplung braucht den vollen Beindruck, die Tachowelle wimmert erbärmlich jenseits von Tempo 70. Die berühmten Schlafaugen werden ganz ordinär per Seilzug mit einem Hebel auf der Mittelkonsole um die Längsachse gedreht – auch das braucht richtig Kraft. Die Lenkung hat keinen Servo, das Bremssystem – hinten gibt es noch Trommelbremsen – auch nicht. Den Opel GT, den alten aus den Sechzigern, auf seinen lächerlich schmalen Reifen im 13-Zoll-Format über die kalifornischen Straßen zu bringen, verlangt eine Menge Muskelkraft. Aber die Legende fährt – und wie!

Wer hinter dem Steuer dieses winzigen Fahrzeugs Platz nimmt, der erlebt unweigerlich einen Rücksturz in eine Vergangenheit, in der Ekel Alfred Tetzlaff noch jede Woche mit seinen Sudeltiraden die Fernsehgemeinde terrorisierte, Jungmänner tägliche Scharmützel mit den Eltern um längere Haare austrugen und von einem Auto träumten, bei dem nicht hinten die bestrickte Klorolle auf der Heckablage thronte.

Einem Traumauto wie dem Opel GT eben. Es ist kaum noch zu verstehen, dass so ein Wagen die Fantasie der deutschen Autofahrer so nachhaltig befeuert hat. Nur zwischen 1968 und 1973, fünf kurze Jahre lang, wurde der GT gebaut. Insgesamt nur 103 000 Fahrzeuge sind vom Band gelaufen. Davon wurden 85 Prozent exportiert, hauptsächlich in die USA, wo die Amerikaner die kleine Corvette liebten, während man bei Opel nicht müde wurde zu betonen, das Design des GT habe schon gestanden, als das amerikanische Möchtegern-Original präsentiert wurde. 20 000 Opel GTs rollten über die deutschen Straßen; gefahren hat den Wagen kaum jemand, und dennoch gehört er mit den fließenden Formen und der vorwitzig-potenten Beule auf der Motorhaube zum autohistorischen Inventarium der Republik und zum unverbrüchlichen Erfahrungskanon der Babyboomer-Generation um 1960.

Dabei steckt im Opel GT trotz seiner aufregenden Haut im Kern ein ganz ordinärer Rekord, mit dem damals die Wirtschaftswunder-Malocher jeden Tag zur Arbeit ruppelten. Unter der stilbildenden, fließenden Karosse saß ein gewöhnlicher 90-PS-Motor, auch das Fahrgestell gehörte zum Rekord und selbst die Kippschalter und Instrumente hatte Opel einfach aus dem Teileregel anderer Modelle genommen. Dem Traum vom anderen Auto tat das keinen Abbruch.

Das Gefühl von damals treibt Automanager im Jahr 2007 dazu, Erfolgsstorys von einst noch einmal hervorzukramen. „Wir haben zugelassen, dass Opel heute eine sehr rationale Marke ist“ – so klingt Selbstkritik aus dem Munde des europäischen Chefs von General Motors, Hans-Peter Forster. Der neue Roadster soll die ganze Marke attraktiver machen, als weiteren Schritt, nachdem Opel mit dem Astra einen richtigen Verkaufshit in der Kompaktklasse gelandet hat. Mit dem GT möchte die Marke Opel das Image abschütteln, langweilig und bieder zu sein. Jetzt mal nicht die gewohnten Brot-und-Butter-Autos, sondern was fürs Gefühl. Das könnte klappen.

Wie schon beim Ur-GT überzeugt vor allem das Aussehen. Da ist den Designern ein wunderschönes Fahrzeug gelungen. Die wulstigen Kotflügel mit der scharfen Kante wirken kraftvoll, das relativ flache Heck ist optisch rundum gelungen und die zwei Blechhutzen auf dem Kofferraum hinter den Sitzen unterstreichen die sportlichen Ambitionen. Große Reifen, breite Spur und eine gelungene Lastverteilung machen sich positiv bemerkbar. Die Frontscheibe ist nicht wie bei anderen Konkurrenten weit nach hinten gezogen, sondern lässt Fahrer und Beifahrer wirklich unter freiem Himmel sitzen. Da ist brausender Fahrspaß garantiert; eine Pudelmütze für den Piloten ist aber dringend angeraten.

Die Legende kommt aus den USA zurück nach Deutschland. Auch wenn das Konzept von deutschen Opel-Ingenieuren mit entwickelt wurde, gebaut wird der Wagen in den Vereinigten Staaten. Ausgestattet ist der Zweisitzer serienmäßig mit einer 2-Liter-Maschine, die mit Direkteinspritzung und Turbo auf erstaunliche 264 PS kommt. Für den 1300 Kilo leichten Wagen ist das eine Menge Kraft, und sie macht den Zweisitzer agil und durchzugsstark, vor allem in den unteren Gängen. In unter sechs Sekunden auf 100 Sachen; und das mit 9,2 Liter Super Durchschnittsverbrauch. Na bitte, geht doch. Und fast unschlagbar ist der Preis. Mit rund 30 000 Euro ist der Opel GT nahezu 10 000 Euro preiswerter als die vergleichbar motorisierte große Konkurrenz, wie etwa der SLK, der kleine Porsche oder auch der BMW Z3. Noch schlechter sehen die gleich teuren Mitbewerber aus; BMW Z4 oder der Mazda MX-5 haben jeweils nur schlappe 150 PS. Klima- und CD-Anlage gibt es beim Opel GT übrigens serienmäßig dazu. Eine echte Einstiegsdroge für Roadster-Fans.

Der niedrigere Preis hat seinen Preis: Das Dach ist aus Stoff und nicht aus Stahl, wie vielfach üblich. Es wird auch nicht elektrisch eingefahren, sondern muss von Hand gelegt werden. Das ist etwas gewöhnungsbedürftig. Auch bei der Verarbeitung ist der Preis zu spüren. So sind einige Ecken scharfkantig, die Rundinstrumente sind nicht ganz blendfrei, die Ablageflächen sind arg knapp ausgefallen. Einen Kofferraum gibt es bei gelegtem Dach nur noch theoretisch – ganze 66 Liter gibt Opel an. Da bleibt man in der Tradition: der Ur-GT hatte gar keinen Kofferraum. Obwohl es den damals nicht einmal als Cabrio gab. Aber auf den Gedanken, mit dem Spielmobil GT den Wochenendeinkauf für die Familie erledigen zu wollen, kommt eh niemand.

Auf den kurvenreichen und zuweilen holperigen Straßen in den kalifornischen Bergen macht der GT eine prima Figur. Wendig und mit einer direkten Lenkung lässt er sich mühelos in den Kurven in der Spur halten. Das Fahrzeug – Motor vorne und Heckantrieb – liegt satt und bratzig auf der Straße, die Schaltung ist direkt. Die Kraft reicht allemal zum satten Beschleunigen; nur in den oberen Gängen fehlt bei niedrigeren Drehzahlen ein wenig die Power. Wer es ganz sportlich mag, kann die Traktionskontrolle und das ESP auch ausschalten.

Sonor röhrt der Motor beim strammen Tritt aufs Gaspedal, doch laut wird nur der Wind. Anders als bei der Legende, die mit ihren mickrigen 90 PS schnell asthmatisch keucht. Doch mit dem gusseisernen Viertakter von damals hat der neue GT-Motor nichts mehr gemein. Der Vierzylinder brummt so böse und grummlig, wie es sein sollte. Die straffen Sitze überzeugen, so direkt mit dem Hinterteil jedes Schlagloch spürend wie beim GT-Großvater sitzt man glücklicherweise nicht.

Ob die Kundschaft den Wagen in Deutschland annehmen wird, wird sich zeigen. Der Opel-Vorstand hat keine Verkaufsziele gesetzt. Aber das große Vorbild hat ja gezeigt: Um eine Legende zu werden, braucht es keine großen Stückzahlen. Zum Träumen reicht allein das richtige Auto zur rechten Zeit.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false