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Kurz vor ACHT: Streets of Wedding

Der Lehrer sitzt in der ersten Reihe, applaudiert wie verrückt und ruft immer wieder „Bravo“. Es ist kurz vor acht Uhr abends, auf der Bühne der Universal Hall singen seine Schüler und Schülerinnen wie Musical Stars, und sie sehen auch so aus.

Der Lehrer sitzt in der ersten Reihe, applaudiert wie verrückt und ruft immer wieder „Bravo“. Es ist kurz vor acht Uhr abends, auf der Bühne der Universal Hall singen seine Schüler und Schülerinnen wie Musical Stars, und sie sehen auch so aus. Aufgeführt wird „Streets of Wedding“, das Musical des amerikanischen Künstlers Todd Fletcher, der es auf Initiative von US-Botschafter William Timken und seiner Frau Sue mit den Schülern auch einstudiert hat.

Auf der Bühne singen und tanzen erstaunlich professionell 40 Schüler der Ernst-Schering-Oberschule. „Sie können sich nicht vorstellen, was für ein Miststück die sein kann“, raunt der Lehrer seiner Nachbarin zu und deutet auf eine besonders anrührend singende junge Frau. „Und hier wächst sie plötzlich über sich hinaus.“ Auch Schulleiter Hilmar Pletat ist begeistert. Nie hätten sie gedacht, dass in den oftmals problematischen Schülern solches Potenzial steckt. Freimütig geben die Lehrer ihre anfängliche Skepsis zu.

Das Wunder von Wedding begeisterte bei der Premiere vergangenen Sommer auch Bundespräsident Horst Köhler und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Letzterer war so hingerissen davon, was Migrantenkinder aus teils schwierigen familiären Verhältnissen unter Fletchers Leitung auf die Beine gestellt haben, dass er sich persönlich dafür einsetzte, dass das Musical auf Tournee gehen konnte. Nach Köln und Nürnberg traten die Weddinger Schüler auch im „English Theatre“ in Frankfurt auf.

Wie er in die 12- bis 17-Jährigen, denen ja schon die deutsche Sprache zum Teil fremd ist, einen echten amerikanischen Akzent hineinbekommen hat, wie er es geschafft hat, dass sie lange englische Texte ohne erkennbares Holpern auswendig beherrschen, kommentiert Todd Fletcher mit einem kurzen Satz: „The Fletcher Method“. Dass die Deutschen auf solche Projekte immer sehr skeptisch reagieren, kannte der New Yorker Künstler schon von anderen Einsätzen. „Das ist immer so in diesem Land, eigentlich ist es sehr traurig“. Oft hört er: „Unsere Schüler können das nicht.“

Die Songs, die da aufgeführt werden; sprechen eine andere Sprache, die manchem abgeklärten Europäer naiv amerikanisch erscheinen mag, die aber auf die Migrantenkinder eine mitreißende Wirkung entfalten. „We can do it“ heißt ein Lied. „Wir können ihnen zeigen, wer wir sind, ...können beweisen, dass wir stark sind, ...können das Licht entzünden,... wie Phönix aus der Asche steigen. Ja, wir können es.“ Thema des Musicals ist die Lebenswirklichkeit der Kinder. Als die Jugendlichen mit einer wunderbaren Choreographie Asli dazu raten, sich von ihrem schrecklichen Mackerfreund Ismael zu trennen, der ihr nur Vorschriften macht, bricht der Lehrer in Reihe eins wieder in Applaus aus. „Leider ist das alles ja noch Alltag bei uns“. Es sei schwer gewesen, die Eltern zu überzeugen, auch die Mädchen mit zur Tournee zu lassen.

„Streets of Wedding“ hat offensichtlich auch den Glauben der Lehrer an ihre Schüler wachsen lassen. Songs wie „Welcome to our world“ und „Could this be my chance“ bleiben im Ohr. Als Hoffnungsmusik. Elisabeth Binder

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