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Demonstrativ. Steffen Werner ist am Roten Rathaus im Hungerstreik.

© K. Kleist-Heinrich

Lehrerstreik: Hunger nach Anerkennung

Vor dem roten Rathaus fastet ein Lehrer. Das Ziel seines Hungerstreiks ist eine unbefristete Anstellung. Die hat ihm der Senat am Montag verwehrt, weil er formal nicht qualifiziert genug sei.

Steffen Werner hat sein Klassenzimmer gegen einen Schlafsack und eine Isomatte vor dem Roten Rathaus getauscht. Seit Dienstag zehrt der 44-jährige Lehrer nur noch von Fruchtsäften und seinem unbedingten Arbeitswillen. Er ist in den Hungerstreik getreten, weil die Bildungsverwaltung seinen Vertrag nicht verlängert hat. Statt zu unterrichten, kämpft er nun für seinen Job und gegen den Appetit.

„Ich möchte doch nur die gleichen Rechte, für die gleiche Arbeit“, erklärt Werner. Auf einem Schild neben seinem improvisierten Bett hat er alle Forderungen aufgelistet. Werner ist Lehrer für Englisch, Kunst und Ethik an der Bettina-von-Arnim-Oberschule in Reinickendorf. Lange hoffte er auf eine unbefristete Anstellung. Am Montag erteilte die Senatsverwaltung dieser Hoffnung eine Absage, weil er formal nicht qualifiziert genug sei. Tatsächlich kam er als Quereinsteiger an die Schule, ist Kunsthistoriker, studierte Englisch nur im Nebenfach. Eine Lehrbefähigung hat er nicht. „Das war aber nie ein Problem“, sagt Werner. Mit voller Wochenstundenzahl unterrichtete er wie festangestellte Kollegen. Er vermutet Fehler der Verwaltung.

Demnach konnte sein Vertrag ohne Sekundarabschluss eins und zwei nicht entfristet werden. Ein berufsbegleitendes Referendariat, das ihm die geforderten Abschlüsse hätte verschaffen können, sei Werner wiederum mit der Begründung abgelehnt worden, dass seine Anstellung nur befristet ist. Ein Paradoxon, unter dem laut Werner viele Berliner Lehrer leiden. Die Vorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), Rose-Marie Seggelke, sieht in Steffen Werner derweil nur einen bedauerlichen Einzelfall. Sein Vertrag sei wohl auch deshalb nicht verlängert worden, weil derzeit genügend qualifizierte Lehrkräfte in Kunst und Englisch zur Verfügung stünden. An einer Formalie dürfe es aber nicht scheitern. „Wenn jemand tolle Arbeit leistet, darf man ihn nicht auf die Straße setzen“, so Seggelke. In einem Brief an Bildungssenator Zöllner will sie sich für Werner einsetzen. Generell solle der Zugang für Quereinsteiger zum Lehrberuf aber nicht weiter erleichtert werden.

Inzwischen ist Werner in guter Gesellschaft. Regelmäßig kommen Lehrerkollegen vorbei, und Schüler, die ihn unterstützen wollen. Sie halten ihn für mehr als qualifiziert. Die 20-jährige Kristina Lauer macht sich deshalb Sorgen um ihre eigene Zukunft. „Er ist ein super Lehrer und jetzt arbeitslos.“ Was denn dann wohl aus ihr selbst werde? Sie habe die besten Voraussetzungen, die Englisch-Abiturklausur bei Werner mit 14 Punkten bestanden. Auch ein paar Neuntklässler wollen mobilmachen und mit Plakaten demonstrieren gehen. Von der Schulleitung war gestern keine Stellungnahme zu erhalten.

Im Roten Rathaus selbst hält man den Hungerstreik für deplatziert. „Sie wissen, wo Herr Zöllner sein Büro hat?“, fragt eine Mitarbeiterin, als sie aus der Tür tritt. Werner weiß es. Aber er fühlt sich am Sitz des Regierenden Bürgermeisters genau richtig. Der soll auf seinen Bildungssenator einwirken und für Gerechtigkeit sorgen.

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