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Nach Strukturrefom: Sekundarschulen wollen keine gescheiterten Gymnasiasten

Die neuen Sekundarschulen klagen über zu geringe Kapazitäten, um zurückgestufte Schüler aufzunehmen. Verbände fordern, Schüler nicht mehr während des Schuljahres wegzuschicken. Wichtig sei jedoch die Betrachtung des jeweiligen Einzelfalles.

Berlins neu gegründete Sekundarschulen appellieren an die Gymnasien, möglichst wenig Kinder nach dem Probehalbjahr Ende Januar zu ihnen zu schicken. Es sei ein „Fiasko“, wenn mitten im Schuljahr ganze sogenannte Rückläuferklassen mit frustrierten 13-Jährigen untergebracht werden müssten, warnt der Vorsitzende der GEW-Schulleitervereinigung, Paul Schuknecht. Vor allem die frisch fusionierten Sekundarschulen seien damit überfordert. Er hofft, dass die Gymnasiallehrer ihren Ermessensspielraum nutzen und die Regeln für das Bestehen der Probezeit nicht strenger als nötig anwenden.

Bei Ralf Treptow vom Gymnasialverband der Oberstudiendirektoren stößt Schuknecht auf offene Ohren. „Ich kann den Wunsch absolut nachvollziehen“, sagt Treptow. Es ärgert ihn, dass es dieses Jahr noch die sechsmonatige Probezeit gibt, obwohl die Verlängerung auf ein volles Jahr ab 2011/12 beschlossene Sache ist: „Das hätte man auch schon 2010/11 so handhaben können“, findet Treptow.

Den Gymnasien sind enge Grenzen gesetzt, wenn sie die Probezeit eines Schülers auf eigene Faust schon jetzt auf ein volles Jahr verlängern wollen. Die Vorschriften sehen so aus, dass nur drei Gründe für die Verlängerung anerkannt werden: schlechte Sprachkenntnisse, starker Unterrichtsausfall oder eine längere Krankheit. Schuknecht erwartet aber nicht, dass Eltern klagen, wenn die Probezeit aus anderen Gründen verlängert wird, weil es doch letztlich im Interesse der meisten Eltern und Schüler sei, noch eine zweie Chance zu bekommen.

Bislang scheiterten pro Jahr rund 600 Schüler in der Probezeit der Gymnasien. Die meisten wechselten zu Realschulen. Dort gab es immer rund 400 freie Plätze allein durch die Schüler, die zeitgleich am Probehalbjahr der Realschulen gescheitert waren und Hauptschulen zugewiesen wurden. Das wiederum bedeutete, dass es an Realschulen kaum eine Notwendigkeit gab, ganze Rückläuferklassen aufzumachen. Stattdessen wurden die Schüler einzeln auf Realschulklassen verteilt, die noch nicht ganz voll waren.

In diesem Jahr ist alles anders: Wegen der Strukturreform gibt es keine Hauptschulen mehr, die mangels Nachfrage meist viele freie Kapazitäten hatten. Die Sekundarschulen können also keine Schüler „nach unten“ abgeben, weshalb sie kaum freie Plätze in ihren Klassen haben. Dies aber bedeutet, dass unter Umständen ganz neue Klassen mit Rückläufern geschaffen werden müssen.

Längst haben die Bezirke nach freien Raumkapazitäten in ihren Sekundarschulen gefahndet und den betreffenden Rektoren mitgeteilt, dass sie mit solchen Rückläuferklassen rechnen müssen. „Bei uns könnten es sogar zwei Klassen werden“, berichtet die Leiterin der Lankwitzer Bröndby-Schule, Angela Touré. Wolfgang Lüdtke von der Neuköllner Kepler-Schule muss auf eine Klasse mit gescheiterten Siebtklässlern gefasst sein. „Dieses Jahr wäre das besonders dramatisch, weil die Schulen im Umbruch sind“, gibt Lüdtke zu bedenken. Er begrüßt deshalb Schuknechts und Treptows Appell an die Gymnasien, möglichst wenig Kinder mitten im Schuljahr wegzuschicken.

Die Bildungsverwaltung sieht das anders: „Die Kapazitäten an den Sekundarschulen können nicht ausschlaggebend für die Frage sein, ob ein Schüler das Probehalbjahr schafft oder nicht“, betont Verwaltungs-Sprecherin Beate Stoffers. So sieht das auch der Leiter des Lichtenberger Johann-Gottfried-Herder-Gymnasiums, Ulrich Weghoff. Allerdings plädiert er dafür, immer „den Einzelfall zu sehen“. Unter Umständen könne es auch in diesem Jahr schon richtig sein, den Siebtklässlern mehr Zeit zu geben.

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