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Schule: Rückenwind für Unscheinbare

Toyota sponsort die Favoriten des America’s Cup – vom Glanz soll auch etwas auf den Avensis fallen

Segeln gilt als die teuerste Art, unbequem zu reisen. Am Boot ist immer was zu tun. Aber Segeln macht optisch so richtig was her.

Toyotas gelten als preiswerte, komfortable Autos, an denen selten etwas zu tun ist. Dafür machen sie optisch wenig her.

Toyota und Segeln verhalten sich zueinander also ungefähr wie Nord- und Südpol. Doch bald werden sie zusammenkommen – zu sehen bei ARD und ZDF, die im Juni 2007 mindestens die Finalrennen übertragen. Bei einem Besuch in Valencia an der spanischen Mittelmeerküste war mehr über die ungleichen Partner zu erfahren: Dorthin fuhren wir, um eine Proberunde mit dem überarbeiteten Toyota-Flaggschiff namens Avensis zu drehen. Und um hinter die Kulissen des America’s Cup zu schauen, jener wohl berühmtesten Regatta der Welt, die erstmals in ihrer 155-jährigen Geschichte in Europa ausgetragen wird und den Sport hier populärer machen dürfte. Seit Anfang der 80er Jahre sponsert Toyota Neuseeland das dortige Team. „Direkt haben wir damit wenig zu tun“, sagen die deutschen Toyota-Leute noch ein wenig fremdelnd. „Wir profitieren nur davon.“

Der Test-Avensis wartet im Hafen – und sieht auch nach dem dezenten Lifting nicht wie ein Kandidat für „Germany’s next Topmodel“ aus: pummelig und konturlos wie zuvor. Am Hafenbecken erheben sich zwölf komplett neue Werkhallen: In engster Nachbarschaft und doch geheim bauen die Teams hier die Boote für den 32. America’s Cup. Nachdem Anfang 2003 das Schweizer Alinghi-Team unter Regie des Berliners Jochen Schümann vor Auckland gegen die Neuseeländer gewonnen hatte, entschied sich die „Société Nautique de Genève“ mangels eigenen Meeres für Valencia als nächsten Austragungsort. Wegen optimaler Bedingungen für Teams und Zuschauer, wobei zu diesem Optimum auch ein rund 100 Millionen Euro teures Engagement der Stadt gehören soll. Millionen werden zu dem Spektakel an den Stränden erwartet – und wohl mindestens eine Milliarde investiert.

„Wir haben ein Budget von etwa 65 Millionen Euro. Andere geben doppelt so viel aus“, sagt Tony Thomas und deutet mit dem Kopf in Richtung der Halle des BMW-Oracle-Teams. Thomas, ein kleiner fröhlicher Mann, ist der Marketingmensch des Teams und wohnt jeweils ein halbes Jahr in Spanien und Neuseeland: Per Container wird das Schiff jeweils auf die Sommer-Halbkugel gebracht, damit keine Zeit verloren geht. Zurzeit ist es ebenso wie die meisten aus dem 80-köpfigen Team auf dem Weg nach Neuseeland, in der Halle in Valencia steht nur das vor drei Jahren unterlegene Schiff.

Das neue dürfte ohnehin niemand sehen – zumindest nicht den Teil unter der Wasserlinie. Der Kiel sei entscheidend für den Erfolg, sagt Chefdesigner Marcelino Botin. Verraten wird nur das Gewicht von 22 Tonnen, denn ein tiefer Schwerpunkt bedeutet Stabilität. Alles andere wiegt zusammen gerade zwei Tonnen: Mast, 370 Quadratmeter Segel, Ruderanlage, Rumpf. Wobei der Mast mit 35 Metern so hoch ist wie ein zehnstöckiges Haus und der Rumpf mehr als fünfmal so lang und dreimal so breit wie ein Avensis. Dabei wiegt er mit 800 Kilo nur reichlich halb so viel – und das, obwohl er auf jeder Seite 16 Tonnen „Anhängelast“ aushalten muss: Mit so viel Kraft kann der Wind an den Seilen zerren, die den Mast halten. Immer filigranere Kohlefaser-Konstruktionen machen’s möglich. Abgesehen von der nicht vorhandenen Motorenfrage ähnelt der America’s Cup technisch der Formel 1.

Der Reiz des Segelns besteht auch in der fast lautlosen Fortbewegung bei geringem Tempo. Insofern wäre der Coup perfekt gewesen, hätte Toyota einen Hybrid-Avensis nach Vorbild des genialen Prius präsentiert. Doch es gibt nur einen neuen Einstiegsdiesel, zwei Liter groß und 126 PS stark. Mit ihm ist der Avensis solide motorisiert, wobei sich der Motor bis 2000 Umdrehungen tot stellt, um bei höherer Drehzahl gute Laune zu verbreiten. Die Leichtigkeit überrascht beinahe in dem Auto, dessen Innenraum so wenig ist wie sein Blechkleid.

Doch auf langer Fahrt treten die inneren Werte in den Vordergrund. So wird der völlig unkompliziert bedienbare Avensis mit seiner perfekt abgestimmten Federung und sensiblen Lenkung schnell zum Freund, der nicht mit schlechten Angewohnheiten nervt und sich – abgesehen von Windgeräuschen an den Türkanten ab etwa Tempo 120 – angenehm ruhig verhält. Zum Nörgeln muss man anhalten und die Heckklappe des Kombis öffnen, die kaum auf 1,80 Meter hoch schwingt. Dabei kommen auch die kratzempfindliche Stoßstange und das unschön abgeschnittene Gepäckraumrollo zum Vorschein. Womit die gravierendsten Mängel wohl genannt wären. Sonst ist der Avensis ein im besten Sinne konventionelles Auto ohne die immer weiter um sich greifende Fahrerbevormundungstechnik. Einem Auto, das sogar noch ein Schloss in der Tür hat, sieht man auch den altmodischen Kratzebart-Schlüssel nach.

Nach der Erfahrung von Toyota ist der Avensis als Kombi mit Dieselmotor und Vollausstattung am beliebtesten. Wenn es auf den Cent nicht ankommt, fragt sich nur, ob der neue Motor überhaupt nötig war. Es gibt da nämlich noch den 2,2-Liter-Diesel mit gewaltigen 177 PS, dessen etwas höherer Verbrauch (6,2 statt 5,9 Liter im Mix) sich angesichts besserer Abgasreinigung moralisch verschmerzen lässt. 2000 Euro Aufpreis sind für den extra großen Spaßfaktor fällig. Für knapp 30 000 Euro hat man am Ende die Gewissheit, unterschätzt zu werden. Es sei denn, der America’s Cup macht auch Toyota-Fahren bald richtig schick.

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