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Viel zu tun. Hunderte Schulen sind sanierungsbedürftig oder zu klein.

© imago/Christian Ditsch

Sanierung und Neubau in Berlin: 5,5 Milliarden Euro reichen nicht für den Schulbau

Was Schulbau und Sanierung kosten, steht noch lange nicht fest. Sicher ist nur: Die bisherigen Zahlen waren unrealistisch niedrig. Anhörung im Abgeordnetenhaus.

Mit den veranschlagten 5,5 Milliarden Euro für Sanierung und Neubau der Berliner Schulen bis 2026 wird Berlin nicht so weit kommen wie erhofft: Da der Senat von Anfang an mit unrealistisch niedrigen Schätzungen gearbeitet hat, wird es wesentlich teurer, die geplanten Projekte abzuarbeiten als zunächst behauptet. Zudem führen die exorbitanten Preissteigerungen in der Bauwirtschaft dazu, dass die Finanzplanung laufend geändert werden muss.

So wird für eine neue Grundschule inzwischen im Schnitt 30 Millionen Euro veranschlagt – rund 20 Prozent mehr als vor einem Jahr. Pankows Bildungsstadtrat Torsten Kühne (CDU) beobachtet inzwischen in seinem Bezirk sogar durchschnittliche Steigerungen der Preise um 30 Prozent. Es gebe Gewerke, bei denen die Preise um 100 Prozent über dem bisher üblichen lägen, berichtet Kühne. Er schlägt daher vor, dass sich alle Baudienststellen absprechen müssten, um von der Bauwirtschaft nicht „gegeneinander ausgespielt zu werden“.

Unvollständiger Gebäudescan

Das ist aber noch nicht alles. Die große Diskrepanz zwischen den zunächst angegebenen und den inzwischen kommunizierten Kosten beruht vor allem auf den Bedingungen des so genannten Gebäudescans, den der Senat 2016 von den Bezirken gefordert hatte. Damals sollten die Bau- und Schulämter für jede Schule angeben, wie hoch der akute sowie der mittel- und langfristige Sanierungsbedarf infolge der jahrelangen Sparpolitik sei. Von Anfang an war klar, dass dieser angebliche „Scan“ nur einen Teil der Kosten auflistet – und das auch nur als Überschlagsrechnung, indem die Quadratmeter an Fenster-, Dach- und Fassadenflächen mit einem bestimmten Eurobetrag multipliziert wurden. Was fehlte, waren „Planungshonorare, Ausstattungskosten, Baunebenkosten sowie Unvorhergesehenes“, erläutert am Montag die Wohnungsbaugesellschaft Howoge, die einen Teil der Schulen saniert und neu baut. Auch die Kosten für die Sanierung der Außenanlagen waren nicht enthalten.
Hinzu kommen Kosten für die Auslagerung von Schülern, die bei größeren Umbauten unabweisbar ist: Wenn dann auf den Schulhof Container gestellt werden müssen, kann auch das sechsstellige Beträge verschlingen. All dies kommt im Scan nicht vor. Das Gleiche gelte für Gebäude, deren Keller- und Dachräume ausgebaut werden müssen, um zusätzlichen Platz zu schaffen: Auch davon war nicht die Rede, als die Senatsverwaltung für Bildung im Jahr 2015 die Bezirke beauftragt hatte, ihre Sanierungskosten zu veranschlagen - damals kulminierte der Ärger über die maroden Schulen. Ebenso nicht berücksichtigt wurde damals, dass sich die Fachleute von Rot-Rot-Grün eine „sozialräumliche Öffnung“ der Schulen wünschen: Auch das kostet Geld – etwa wenn eine Sporthalle auch für Vereine attraktiv sein soll und deshalb eine Zuschauertribüne braucht oder wenn eine Schulbibliothek dem Kiez offenstehen soll.

38 statt 26 Millionen Euro für eine Schule

Die CDU hatte schon 2017 darauf hingewiesen, dass der Scan unseriöse Zahlen liefere und daraus geschlussfolgert, dass der Sanierungsbedarf nicht fünf, sondern eher acht Milliarden Euro betrage. Dieser Rechnung kommen die Schulbauzahlen, die die Finanzverwaltung im September veröffentlichte, schon näher.

Was das konkret für einen Standort bedeutet, führt Stadtrat Kühne am Beispiel des Primo-Levi-Gymnasiums aus, für dessen Sanierung die Howoge im Auftrag des Senats neuerdings fast 38 Millionen Euro veranschlagt. Auch dies bedeutet eine millionenschwere Steigerung gegenüber der früheren Scan-Schätzung von 26 Millionen Euro. Diese Diskrepanz komme etwa dadurch zustande, dass man es mit zwei denkmalgeschützten Häusern zu tun habe, erläutert Kühne: Wenn hier etwa Fahrstühle eingebaut werden müssen, wird das teurer als bei einem neueren Gebäude mit glatten Fassaden und stromlinienförmigen Fluren.

„Die Howoge kalkuliert seriös“

Auch die Barrierefreiheit kostet in den Schulen aus dem 19. Jahrhundert mehr als bei Neubauten. Zudem wurde im Scan nichtberücksichtigt, dass man größere Mensen benötigt, wenn eine Schule ausgebaut wird und dann plötzlich 200 Schüler mehr hat. Auch die notwendige Modernisierung in technischer Hinsicht sei nicht einbezogen worden, als die Bezirksämter den Scan zusammenstellen sollten, gibt Kühne ein weiteres Beispiel. Vor diesem Hintergrund sind für den Bildungsstadtrat die zusätzlichen Millionenkosten – etwa die für das Primo-Levi-Gymnasium – nicht verwunderlich: „Die Howoge kalkuliert seriös“, steht für Kühne fest.

Volksinitiative gegen "Privatisierung"

Die Volksinitiative „Unsere Schulen“ hingegen findet die Steigerung bei den Kostenansätzen der Howoge weniger einleuchtend. Die Steigerungen bei den Schulen, die direkt vom Senat gebaut würden, seien weniger drastisch, sagte am Montag Carl Waßmuth, der Sprecher des Vereins „Gemeingut in Bürgerinnenhand“, der hinter der Volksinitiative steht. Dem widersprach die Senatsverwaltung für Finanzen: Die Kostensteigerungen bei den Howoge-Großsanierungen seien „nicht überproportional“ höher als bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, sagte Finanz-Sprecherin Eva Henkel. Die Howoge habe „Wert auf realistische Kostenansätze gelegt“. Waßmuth sieht das anders und will das bei einer Anhörung am Mittwoch um 12 Uhr im Abgeordnetenhaus darlegen.

Diese öffentliche Anhörung wird im Rahmen einer gemeinsamen Sondersitzung des Haupt- und Bildungsausschusses stattfinden, bei der neben Wasmuth auch weitere Vertreter der Volksinitiative sprechen werden. Waßmuth gibt zu bedenken, dass Hamburg Schulen wesentlich preiswerter baue als Berlin.

Die Fassade der Pankower Hufeland-Schule gehört zu den unzähligen Beispielen für den Sanierungsstau der Berliner Schulbauten.
Die Fassade der Pankower Hufeland-Schule gehört zu den unzähligen Beispielen für den Sanierungsstau der Berliner Schulbauten.

© Susanne Vieth-Entus

Im Fokus der Anhörung steht der rot-rot-grüne Koalitionsbeschluss, dass Schulgebäude, Grundstücke und Sanierungsprojekte an die Wohnungsbaugesellschaft Howoge übertragen werden und dann vom Land oder den Bezirken für rund 20 Jahre gemietet werden. Waßmuth und seine Mitstreiter sehen darin eine „formelle Privatisierung“ des Schulbaus, da die Howoge zwar ein landeseigenes Unternehmen ist, aber dennoch als GmbH dem Privatrecht unterliege. Die Initiative fordert daher, dass Schulen im öffentlichen Eigentum und mit öffentlichen Mitteln gebaut und saniert werden. Die hatte seit Januar wurden über 30.000 Unterschriften für „Unsere Schulen“ gesammelt – und damit genügend, um als Volksinitiative anerkannt zu werden.

Dass die Howoge überhaupt mit der Aufgabe betraut wird, hängt mit der Schuldenbremse zusammen: Die Milliarden, die die Howoge an Krediten aufnimmt, schlagen nicht im Landeshaushalt zu Buche. So wird die Schuldenbremse rein formal umgangen. Die Rechnungshöfe sehen in solchen Konstruktionen "Schattenhaushalte".

CDU fordert Beschleunigung

Auch die CDU-Fraktion meldete sich am Montag zu Wort. Sie hatte vor einem Jahr alternative Vorschläge zur Schulbauoffensive vorgelegt und dafür ein "Sprinterpaket" geschnürt, um den Schulbau zu beschleunigen. Dazu gehörte eine Vereinfachung der Ausschreibungen, eine personelle Stärkung der Bezirke, Sprinterprämien für Verwaltungsmitarbeiter und beauftragte Baufirmen, Entbürokratisierung der Verfahren sowie gleiches Gehalt für die baubegleitenden Berufe in allen Verwaltungen. Der stellvertretende Vorsitzender der CDU-Fraktion, Mario Czaja, sagte am Montag, es sei von vornherein klar gewesen, dass "es gute Idee ist, das milliardenschwere Schulbau-Volumen über die Wohnungsbaugesellschaft Howoge abzuwickeln". Schneller als erwartet zeige sich nun, "dass das nicht funktioniert, dass Verfahren verzögert und Bauvorhaben immer teurer werden". Das Hauptproblem - neben den steigenden Preisen - sei, dass die Schulen nicht fertig würden: "Keine einzige in dieser Legislatur beschlossene Neubaumaßnahme wird vor 2023 abgeschlossen sein, zitierte Czaja aus der Senatsantwort auf seine letzte Anfrage zum Schulbau. Am Donnerstag will die CDU ihr Sprinterprogramm im Bildungsausschuss zur Beratung einbringen.

Für Stadtrat Kühne sind schon allein die rapide steigenden Baukosten ein Argument dafür, sich beim Schulbau mehr zu beeilen. Das andere Argument: Viele Bezirke wissen nicht, wohin mit den vielen Schülern.

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