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Schlechte Startbedingungen: Jedes dritte Vorschulkind spricht schlecht Deutsch

Welche Startbedingungen ein Schulkind hat, ist stark abhängig vom sozialen Status der Familie. Die ethnische Herkunft der Eltern spielt dabei kaum eine Rolle, belegt eine neue Studie.

Welche Startbedingungen ein Schulkind hat, ist stark abhängig von seinem sozialen Status. Das ist die Kernaussage einer Studie, die Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) am Donnerstag vorstellte. Weniger relevant ist die Familienform, in der das Kind lebt, ob die Eltern gemeinsam oder die Mutter allein erzieht. Auch der Migrationshintergrund ist nicht so entscheidend, wie man bisher angenommen hat. Auffällig ist zudem, dass sich die Deutschkenntnisse der Kinder in den vergangenen Jahren verbessert haben. Das führt Lompscher auf die drei beitragsfreien Kitajahre und die intensive Sprachförderung in den Kitas zurück. Ausgewertet wurden Daten von mehr als 52 000 Kindern, die in den Jahren 2007 und 2008 zur Einschulungsuntersuchung vorgestellt wurden.

Viele Vorschulkinder sind weiterhin zu dick, sprechen kein gutes Deutsch, schauen zu viel fern und haben schlechte Zähne. Jedes achte Kind hat Defizite in seiner kognitiven oder motorischen Entwicklung, jedes neunte ist übergewichtig, jedes elfte ist einem erhöhten gesundheitlichen Risiko ausgesetzt, weil die Eltern rauchen und nicht aufs Zähnebürsten achten. Das sind berlinweite Angaben, die in einzelnen Stadtgebieten stark voneinander abweichen. Ähnlich strukturierte Gebiete wurden zu sieben sogenannten Clustern zusammengefasst.

Gebiete mit einer „hohen sozialen Belastung“ für die Kinder sind Gesundbrunnen, Wedding, Teile von Kreuzberg und Nord-Neukölln, also die bekannten sozialen Brennpunkte mit hohem Anteil an Hartz-IV-Empfängern. Über 50 Prozent der Kinder leben dort in Familien mit geringem Sozialstatus. Mehr als die Hälfte der Kinder mit Migrationshintergrund sprechen ungenügend Deutsch.

Die Viertel mit der geringsten sozialen Belastung liegen in Steglitz, Zehlendorf, Westend, Frohnau, Kaulsdorf/Mahlsdorf und Lichtenberg-Süd. Hier stammen nur fünf Prozent der Kinder aus Familien mit geringem Sozialstatus. Der Anteil der Kinder mit unzureichenden Deutschkenntnissen macht dennoch immerhin 20 Prozent aus. Berlinweit lag der Anteil 2007 bei 38 Prozent und 2009 bei 33 Prozent.

Mehr als zwei Drittel der Kinder leben mit beiden Elternteilen, etwa ein Viertel mit einem Elternteil, aber diese Unterschiede wirken sich nur „mäßig“ auf das gesundheitliche Risiko der Kinder und „gering“ auf ihre Schultauglichkeit aus. Mäßig wirksam ist der Studie zufolge auch der Besuch einer Kinderkrippe, wobei Lompscher das nicht als ein Argument gegen die Relevanz der Kita-Bildung gelten lassen mag. „Sehr stark“ ist der Einfluss des Sozialstatus der Eltern – also beruflicher Hintergrund, Bildungsabschluss, Einkommen – auf gesundheitliches Verhalten und Entwicklung des Kindes. Der Migrationshintergrund an sich spielt keine große Rolle, das ändert sich jedoch drastisch, wenn schlechte Deutschkenntnisse damit verbunden sind.

Der soziale Status der Kinder, bezogen auf die gesamte Stadt, hat sich in den vergangenen Jahren nicht verändert. Rund ein Viertel der Kinder kommt aus Familien mit niedrigem Sozialstatus, 50 Prozent mit mittlerem und ein weiteres Viertel aus Familien mit hohem Sozialstatus.

Interessant sind Angaben zum Fernsehkonsum. Etwa 15 Prozent der einzuschulenden Kinder, zwischen fünf und sieben Jahre alt, verfügt über einen eigenen Fernseher. In der Gruppe der stark entwicklungsauffälligen Kinder sind es knapp 24 Prozent. 9,5 Prozent aller Kinder sitzen mehr als zwei Stunden am Tag vor dem Fernseher, in der Gruppe der stark Entwicklungsauffälligen sind es knapp 16 Prozent. Ähnlich verhalten sich die Zahlen bei Kindern mit Übergewicht.

Der Arzt Dietrich Delekat, der früher im Senat für die Analyse der Vorschuluntersuchungen zuständig war, bewertet den neuen Bericht nüchtern. „Es gibt keine Verbesserung bei den Voraussetzungen für schulische Kompetenz.“ In den Problemvierteln Kreuzbergs und Neuköllns gebe es viele bildungsferne Elternhäuser, in denen staatliche Institutionen praktisch die gesamte Erziehung übernehmen müssten. Das habe wenig mit der ethnischen Herkunft zu tun. „Die Grenze verläuft nicht zwischen Deutschen und Türken, sondern zwischen Bildung und Nicht-Bildung.“

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