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Vergleichstests: Lehrer wagen keinen Boykottaufruf

Die Berliner Initiative „Grundschulen im sozialen Brennpunkt“ will Lehrer nicht zu einem Boykott der Vergleichsarbeiten für Drittklässler (Vera) aufrufen. Jeder Lehrer solle stattdessen selbst entscheiden, ob er seine Schüler an den bundesweiten Vergleichstests teilnehmen lasse.

Der Boykott der Vergleichsarbeiten für Drittklässler (Vera 3) ist aber noch nicht vom Tisch. Jeder Lehrer solle selbst entscheiden, ob er die Tests „schreiben lasse oder boykottiere“. Das hat die Initiative „Grundschulen im sozialen Brennpunkt“ in einer Erklärung am Dienstag mitgeteilt. Wichtiger sei allerdings, dass die Brennpunktschulen besser ausgestattet würden, heißt es weiter. „Unsere Schüler brauchen keine Vergleichsarbeiten, sie brauchen mehr Zeit und Raum für ihre Entwicklung“, lautet der Appell der Initiative, die sich bereits vor einer Woche mit einem offenen Brief an Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) zu Wort gemeldet hatte. „Überrascht“ sei man von der großen Resonanz, die die Ablehnung der Vergleichsarbeiten gefunden habe. Nun setze man auf einen „konstruktiven Dialog“ mit dem Bildungssenator.

Zu welchem Ergebnis ein solcher Dialog führen soll, blieb gestern unklar. Die bildungspolitische Sprecherin der SPD, Felicitas Tesch, fragte sich, „woher wir noch mehr Lehrer nehmen sollen“, zumal der Haushalt längst verabschiedet sei. Die Schulen seien zudem „super ausgestattet“.

Dem widersprach Özcan Mutlu von den Grünen. Die Grundschulen seien schlechter ausgestattet als die Sekundarschulen, da sie zum Teil größere Klassen und weniger Mittel für die Sprachförderung hätten. Zudem fehlten Nachmittagsangebote für die Fünft- und Sechstklässler, während die Sekundarschüler diese Angebote bekämen. Angesichts der schlechten Ergebnisse bei den Sprachstandsmessungen, der vielen Sitzenbleiber und anderer großer Probleme seien die Grundschulen also keinesfalls „super ausgestattet“.

„Unterfinanzierung des Primarschulwesens“

Deshalb unterstützt Mutlu sowohl die Initiative der Brennpunktschulen als auch einen weiteren offenen Brief, den, wie berichtet, am Montag der Grundschulverband geschrieben hatte. Dessen Vorsitzende Inge Hirschmann beklagt ebenfalls eine „Unterfinanzierung des Primarschulwesens“ und warnt davor, die „Dramatik der sozialen Brennpunkte“ zu unterschätzen. Es sei „alarmierend“, wie viele Kinder ein zusätzliches Jahr in der schulischen Anfangsphase verbleiben müssten. Die Zahl der Risikokinder müsse reduziert werden.

Mieke Senftleben von der FDP nannte den Brief des Grundschulverbandes „eine schallende Ohrfeige für den rot-roten Senat“. Er belege, dass die Reformen, die SPD und Linkspartei eingeführt hätten, um Kindern aus bildungsfernen Familien bessere Bildungschancen zu eröffnen, nicht gegriffen hätten. Deshalb müssten diese Reformen auf den Prüfstand: Deutsch als Zweitsprache ebenso wie das jahrgangsübergreifende Lernen und auch die Sprachvermittlung in der Kita.

„Wenn Kinder fast vier Jahre Berliner Bildung hinter sich haben und noch immer nicht in der Lage sind, Vergleichstests auch nur annähernd richtig zu lösen, so spricht das für grundlegende Missstände“, so Senftleben weiter. Alle Bestrebungen, eine Art „Unterschichtenpädagogik“ einzuführen, seien aber völlig inakzeptabel und träfen auf den entschiedenen Widerstand der FDP, sagte Senftleben im Hinblick auf entsprechende Überlegungen des FU-Grundschulforschers Jörg Ramseger.

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