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Berlin: Senat muss sich sputen beim Kauf neuer Züge

Land könnte dann sogar an der S-Bahn verdienen Andernfalls wäre sofortige Ausschreibung nötig

Der Kauf neuer S-Bahnen durch das Land kann bald die einzige Lösung sein, die bleibt, damit der Betrieb in den nächsten Jahren nicht eingeschränkt werden muss. Denn um die bisher von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) favorisierte Ausschreibung für einen Teil des Netzes auf den Weg zu bringen, verbleibt nicht mehr viel Zelt.

Dieser Plan sah vor, dass der künftige Betreiber die neuen Züge bestellt – und finanziert. Da für eine Ausschreibung bis zu eineinhalb Jahre und für die Fahrzeugbeschaffung fünf Jahre angesetzt sind, müsste die Entscheidung, ob ausgeschrieben wird, jetzt fallen, damit Mitte 2012 der künftige Betreiber die Bestellung auslösen könnte. Sollte das Ausschreibungsverfahren erst nach den Wahlen im September gestartet werden, könnte es für einen Fahrzeugkauf danach zu spät sein, denn bis Mitte Dezember 2017 müssen rund 200 neue Doppelwagen einsetzbar sein, weil alte Fahrzeuge dann ausgemustert werden müssen.

Ein Kauf durch das Land, wie ihn jetzt Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) ins Gespräch gebracht hat, wäre im Nahverkehr keine Neuheit. Solche Modelle hätten sich in Skandinavien, Hessen oder Niedersachsen bewährt, sagte der Chef des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB), Hans-Werner Franz. Die Länder vermieten die Fahrzeuge dann an die durch Ausschreibungen gefundenen Betreiber und holen sich so die Anschaffungskosten zurück. Dabei können die Länder für den Kauf zinsgünstige Kredite aufnehmen oder die Anschaffung sogar zinslos aus den so genannten Regionalisierungsmitteln finanzieren, die sie jährlich vom Bund für den schienengebundenen Regionalverkehr erhalten. Dann würde allerdings zumindest zunächst weniger Geld in den Betrieb fließen können.

Berlin bekommt derzeit 381,1 Millionen Euro vom Bund, aus denen vor allem die Zuschüsse an die S-Bahn und die Bahn für den Regionalverkehr finanziert werden. Über 100 Millionen Euro hat der Senat dabei bereits bei der S-Bahn gekürzt, weil die Leistungen nicht vertragsgemäß erbracht werden. Für den Kauf von 200 Doppelwagen müssten etwa 600 Millionen Euro aufgebracht werden – verteilt auf mehrere Jahre, wenn die Bestellung frühzeitig ausgesprochen wird.

Neue Züge, die vor Ende 2017 bereitstehen, könnten zumindest vorübergehend auch an die S-Bahn vermietet werden, die dann ihre alten Bahnen früher abstellen könnte, was bei wartungsintensiven Zügen zu Kosteneinsparungen – und damit auch zu geringeren Zuschüssen durch das Land – führen kann. Stellt das Land die Fahrzeuge bereit, erleichtert dies auch den Markteinstieg für neue Bewerber. Durch den Wettbewerb können die Zuschüsse des Landes dann ebenfalls sinken.

Niedersachsen hat mit diesem Modell nach Angaben des Sprechers der Landesnahverkehrsgesellschaft, Rainer Peters, in zehn Jahren 900 Millionen Euro für neue Fahrzeuge ausgegeben und trotzdem einen „monetären Gesamtvorteil“ in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags erzielt. Der ehemalige Monopolist Bahn AG hat nach Angaben von Peters nur noch einen Anteil von 45 Prozent im Regionalverkehr.

Die Entscheidung, ob Berlin jetzt zumindest den Kauf neuer Fahrzeuge vorbereitet, soll nun immerhin schnell fallen. Dann bliebe auch wieder mehr Zeit, um festzulegen, ob der Betrieb ausgeschrieben oder doch direkt vergeben wird – wieder an die S-Bahn oder vielleicht auch an die BVG. Klaus Kurpjuweit

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