zum Hauptinhalt
Ungeliebt. Neuankömmlinge und Touristen sind in Kreuzberg, wie dieser Aufkleber nahelegt, nicht immer willkommen. Wohnungsnot und steigende Mieten haben die Stimmung vor allem in den zentralen Ortsteilen kippen lassen. Die Anwohner befürchten, aus dem Zentrum gedrängt zu werden.

© dapd

Stadtentwicklung: Senat will Ferienwohnungen verbieten

Stadtentwicklungssenator Michael Müller will in Berlin das Zweckentfremdungsverbot wieder einführen. Dann dürften Wohnungen nicht mehr gewerblich an Touristen oder Geschäftsleute vergeben werden.

Ein altes Instrument soll’s richten: Mit einem Zweckentfremdungsverbot will Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) gegen hohe Mieten vorgehen. Im Visier hat Müller nicht nur Räume, die als Ferienwohnungen genutzt werden. Das Gesetz soll auch verhindern, dass Hausbesitzer Wohnraum zu Büros oder Praxen umwandeln. Schwergemacht werden soll es auch Eigentümern, die ältere Gebäude abreißen, um langjährige Mieter loszuwerden, die günstige Verträge haben und sich die Komfortwohnungen in den Neubauten dann nicht mehr leisten können. Müller hofft, dass das erforderliche Gesetz bis zum Jahresende vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden wird.

Ein Zweckentfremdungsverbot gab es in Berlin bis 2002. Eingeführt worden war es im Westeil der Stadt. Es war dann aber vom Oberverwaltungsgericht gekippt worden, weil es damals nach Ansicht der Richter keinen Wohnraummangel mehr gab. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte ein Jahr später die Entscheidung. Inzwischen gebe es aber keinen vernünftigen Zweifel, dass es in der Hauptstadt wieder zu wenig bezahlbare Wohnungen gibt, begründete Müller am Dienstag den Schritt in die Vergangenheit. Er beruft sich dabei auch auf ein Gutachten, in dem festgestellt wird, dass es vor allem in Charlottenburg-Wilmersdorf, Kreuzberg-Friedrichshain sowie Mitte zu wenig Wohnungen mit günstigen Mieten gibt. Müller will aber, wie er sagte, nun weitere Daten sammeln lassen, um das geplante Gesetz „gut begründen“ zu können. Aufschluss soll hier unter anderem der sogenannte Mikrozensus liefern, bei dem auch Informationen über die wirtschaftliche und soziale Lage der Bevölkerung erhoben werden. Der Mietanteil soll höchstens bei 30 Prozent des Einkommens liegen.

Ein stadtweites Zweckentfremdungsverbot kommt für Müller nicht infrage, da es vor allem außerhalb des Zentrums weiter Wohnungen mit vergleichsweise niedrigen Mieten gebe. Bedenken hat Müller aber auch, einzelne Bezirke mit dem Verbot zu belegen, weil es auch innerhalb eines Verwaltungsbereichs erhebliche Unterschiede geben könne. So sei es in Tempelhof-Schöneberg im Norden etwa rings um die Eisenacher Straße kaum noch möglich, Wohnungen mit günstigen Mieten zu finden, was im Süden, in Marienfelde oder Lichtenrade aber immer noch möglich sei.

Müller will sich deshalb auf Ortsteile konzentrieren. Dann könnte das Verbot für das Umwandeln von Wohnungen auch in Schöneberg-Nord, im Süden von Pankow oder in Bereichen von Lichtenberg gelten. Die Entscheidung sei abhängig vom Auswerten der weiteren Daten, die noch erhoben werden sollen, machte Müller klar. Festgelegt werden sollen die Bereiche durch eine flexibel gestaltbare Verordnung der Verwaltung, deren Grundlage das geplante Gesetz sei.

Müller erwartet Klagen gegen das Verbot

Foto: dpa

© dpa

Um das Verbot überwachen zu können, müssten die Bezirke mehr Personal erhalten. Müller setzt aber auch auf eine „soziale Kontrolle“. Anwohner sollen die Behörden auf Verstöße hinweisen; ein Verfahren, wie es unter anderem auch in Hamburg praktiziert wird. Dort gilt das Zweckentfremdungsverbot seit den 70er Jahren für die gesamte Stadt, weil der Wohnraum generell knapp sei, wie der Sprecher der dortigen Stadtentwicklungsverwaltung, Frank Krippner, sagte. Eine Klage hatte das Hamburger Oberverwaltungsgericht 2007 zurückgewiesen und damit begründet, dass die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen nach wie vor gefährdet sei.

Auch Müller erwartet, dass es in Berlin wieder Klagen gegen ein Zweckentfremdungsverbot geben wird. „Wir haben aber nichts zu verlieren, sondern können nur gewinnen“, sagte er. Viele andere Instrumente, bezahlbare Wohnungen zu bekommen, gebe es nicht. Unter anderem sollen Wohnungsbaugesellschaften Mieten bei 30 Prozent eines bestimmten Einkommens kappen und auf höhere Einnahmen verzichten. Und der Liegenschaftsfonds soll für Neubauten von Wohnungen Grundstücke günstig abgeben.

Der Vorsitzende der Eigentümerschutz-Gemeinschaft Haus und Grund, Carsten Brückner, lehnt Müllers Vorstoß ab. Der Senat, der vor Jahren den Sozialen Wohnungsbau aufgegeben habe, wolle jetzt dort zuschlagen, wo es ihm selbst nicht wehtue. Reiner Wild von Mieterverein will, dass auch bestehende Ferienwohnungen wieder zu Wohnraum werden und kritisiert, dass Müllers Vorhaben nur in die Zukunft gerichtet sei. Außerdem solle der Senat die gesamte Stadt zu einen Gebiet mit erhöhtem Wohnbedarf erklären, was gerichtliche Auseinandersetzungen um die Miethöhe einfacher mache. Unterstützt wird Wild von der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false