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Herzlich Willkommen! Berlin ist vorbereitet auf den Besuch der Queen.

© Hannibal Hanschke/Reuters

Interview mit dem Ex-Sprecher der Queen: „Sie hasst es, wenn Leute warten müssen“

Charles Anson war sechs Jahre lang Pressesprecher der Queen. Vor dem Besuch von Elizabeth II. spricht er im Interview über königliche Vorlieben und richtiges Benehmen - und erklärt, warum die Queen immer ihr eigenes Wasser mitbringt.

Herr Anson, als die Queen 1992 zu Besuch in Deutschland war, hieß es, dass sie keinem Land mehr als drei Mal einen Staatsbesuch abstattet. Nun kommt sie bereits zum fünften Mal ...
Dieser Deutschlandbesuch gehört zu ihren schönsten Erinnerungen, besonders der höchst symbolträchtige Gang durchs Brandenburger Tor. Das waren fünf sehr substanzielle Tage. Mit Richard von Weizsäcker hat sie sich sehr gut verstanden. Normalerweise galt die Regel schon. Aber die Regeln antizipieren nicht, dass jemand 63 Jahre auf dem Thron sitzt. Am 9. September wird die Queen in der Länge ihrer Regierungszeit Königin Victoria überholt haben und die Königin sein, die am längsten auf dem Thron sitzt. Und es gibt in demokratischen Gesellschaften natürlich Ausnahmen für gute Freunde. Ihre Besuche sind etwas kürzer als früher. Aber zum gegenwärtigen Stand der europäischen Idee sind sie bei wichtigen Verbündeten wie Deutschland auch eine bedeutsame Pflichterfüllung.

Normalerweise ist ein Staatsbesuch eine sehr anstrengende Angelegenheit. Wie kann man so etwas im Alter von 89 Jahren überhaupt bewältigen?
Die Königin ist bei guter Gesundheit und übernimmt immer noch rund 350 offizielle Termine im Jahr. Lediglich längere Reisen überlässt sie den Prinzen Charles oder William oder anderen hochrangigen Mitgliedern der Königlichen Familie. Sie genießt ihre Rolle auch und hat einen starken Sinn für Pflichterfüllung. Als sie 1953 bei der Krönungszeremonie in Westminster Abbey vor Millionen Menschen gelobt hat, ihrem Land und ihrem Volk das ganze Leben lang zu dienen, war das für sie eine ernste Sache. Sie ist nicht nur das Oberhaupt des Landes, sondern auch der Church of England, und sie ist eine sehr religiöse Frau.

Der ehemalige Pressesprecher von Großbritanniens Königin Elizabeth II., Charles Anson.
Der ehemalige Pressesprecher von Großbritanniens Königin Elizabeth II., Charles Anson.

© dpa

Wie entsteht so ein Staatsbesuch?
Am Anfang steht die Einladung. Von der ersten Idee bis zur Verwirklichung hat so ein Besuch mitunter zwei bis drei Jahre Vorlauf. In der Regel sind es neun bis zwölf Monate. Das „Komitee für Königliche Besuche“, das aus Vertretern von Buckingham Palace und der Regierung besteht, entscheidet zuerst. Dann muss der Plan durch den Regierungsapparat. Für die einzelnen Programmpunkte gibt es Empfehlungen der Berater, aber auch der Regierung. Es ist zum Beispiel immer gut möglich, dass britische Unternehmen mit wichtigen Joint Ventures auf dem Programm stehen.

Welche Vorlieben und Abneigungen der Queen gilt es zu berücksichtigen?
Bei offiziellen Terminen, Essen zum Beispiel, schätzt die Queen kühle Temperaturen. Oft ist es ja schrecklich heiß, wegen des Klimas, wegen der in der Regel geschlossenen Fenster und wegen brennender Kerzen. Im Vorfeld werden immer auch Absprachen über das Essen getroffen. Schalentiere meidet die Queen wegen der erhöhten Vergiftungsgefahr. Im Gepäck hat sie immer ihr eigenes Wasser, „Malvern“. Es stammt aus einer Quelle, aus der schon Königin Elizabeth I. getrunken hat. Seit 1622 wird das Wasser in Großbritannien abgefüllt und enthält nur reines Wasser. Da gewöhnt sie sich nicht gerne um. Wenn es irgendwo eine Staatsresidenz gibt, übernachtet sie am liebsten da. Bei ihrem Besuch 1992 etwa hat sie in der Residenz des Botschafters geschlafen.

Was ist ihr sonst noch wichtig?
Sie achtet immer sehr darauf, den Zeitplan einzuhalten und hasst es, sich zu verspäten. Schon deshalb, weil es in manchen Gesellschaften ein Symbol von Macht ist, Leute warten zu lassen. Ihr ist es wichtig pünktlich zu sein, weil ihr klar ist, dass viele Menschen darauf warten, sie zu sehen. Sie mag es auch gar nicht, wenn für sie zu früh Kreuzungen abgesperrt werden und die Leute warten müssen und später nach Hause kommen.

Die Königin hat die interessantesten und berühmtesten Menschen der vergangenen Jahrzehnte kennengelernt. Ist es nicht sehr langweilig für sie, wenn sie ganz normalen Leuten begegnet?
Sie weiß, dass es ein großes Privileg ist, interessante Menschen zu treffen. Sie interessiert sich auch sehr für Menschen. Bei Empfängen spricht sie von sich aus oft jüngere Menschen an, die noch nicht so bedeutsam sind. Oft ist sie beeindruckt von Menschen, die keine Würdenträger sind, sich aber durch besondere Tapferkeit hervorgetan haben, durch eine besondere Art, mit Krankheit fertig zu werden oder irgendwo eine Aufgabe vorbildlich erfüllt haben. Sie öffnet auch viele der Briefe, die normale Leute an sie richten, selbst. Nicht alle ihre Begegnungen sind geplant. Meist wird sie vom Botschafter durch den Raum geführt.

Was trägt die Queen in ihrer Handtasche?
Auf jeden Fall ist eine Lesebrille dabei. Einmal fehlte die. Da bat sie Prinz Philip das Manuskript vorzulesen, weil sie ohne nicht dazu in der Lage war.

Wie begegnet man der Queen korrekt?
Normalerweise würde man ihr mit einer kurzen Verbeugung des Kopfes oder einem Hofknicks begegnen. Wenn das ausfällt, weil Menschen unsicher sind, ist das keine Katastrophe. Wichtig im Umgang mit ihr sind vor allem gute Manieren und gesunder Menschenverstand. Man wartet, bis man von ihr angesprochen wird. Wenn sie das Gespräch begonnen hat, geht es meist wie von selbst. Sie interessiert sich für Pferde, Hunde und das Landleben, aber bei einem Gespräch in einer Fabrik würde man nicht von den Corgies anfangen. Sie mag Informationen zu Dingen, die für sie wichtig sind. In Deutschland etwa könnte es darum gehen, was sich seit ihrem letzten Besuch verändert hat, etwa die Wiedereröffnung der Dresdner Frauenkirche, für die sie ein Benefizkonzert gegeben hat. Die goldene Regel lautet: Seien Sie so interessant wie möglich. Und so natürlich, wie es geht.

Charles Anson, 70, war von 1990 bis 1996 Pressesprecher von Königin Elizabeth II.

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