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Siegessäule: Vom Sockel bis zur Else

Die Sanierung der Siegessäule soll in den kommenden Wochen beginnen. Fugen und Vergoldung müssen ausgebessert werden – und im Treppenhaus haben sich Tausende verewigt.

Raus aus dem Bus am Großen Stern, Drehung um 90 Grad, ein Auge zukneifen, wegen der Sonne, die schräg hinter der Siegessäule am Winterhimmel hängt und blendet. „Ach, ein Engel“, seufzt eine Spanierin glücklich und zückt ihren Fotoapparat. Die Kanonenrohre am Schaft der Siegessäule glänzen im Sonnenschein, das Glitzern der goldenen Viktoria ganz oben auf dem Bauwerk fasziniert eine vierköpfige Familie aus dem Saarland so sehr, dass sie geschlossen bei Rot die viel befahrene Kreuzung quert – die Augen auf die Säule gerichtet. Bald wird die nicht mehr in voller Schönheit zu sehen sein, denn sie soll komplett saniert, dazu eingerüstet und teilweise auch mit Planen verdeckt werden. Noch im Januar sollen erste Arbeiten beginnen.

Von weitem – Glitzer sei Dank – ist nur schwer zu erkennen, was sich beim Näherkommen zeigt: das Bauwerk bedarf gründlicher Restaurierung. Schon seit Jahren ist dies bekannt, doch auch weil sich unterschiedliche Verwaltungen um Fördergelder stritten, konnte nicht begonnen werden. Jetzt aber soll es losgehen mit der Restaurierung – vom Sockel bis rauf zur „Goldelse“, inklusive Fußgängertunnel.

Denn auch wenn die güldene Farbe von weitem noch glitzert, sie blättert ab, platzt der 8,32 Meter hohen und fast 40 Tonnen schweren Figur vom Gewand. Wer auf der Aussichtsplattform steht, in 50 Metern Höhe, und den Kopf in den Nacken legt, der kann sehen, wo sich das Kleid der Viktoria verfärbt. Doch nicht nur sie soll Gegenstand der Restaurierung sein, sondern auch Sockel und Schaft der Säule. Bis ins Jahr 2011 sollen die Arbeiten dauern. Experten der Stadtentwicklungsverwaltung schätzten Anfang 2008 die Höhe der Schäden auf 3,5 Millionen Euro. Schon Mitte 2009 war von Sanierungskosten in Höhe von rund 4 Millionen die Rede.

Im Februar vergangenen Jahres untersuchten Statiker, Restaurateure und Architekten das Bauwerk aufs Genaueste. Die Prognose, die sie der alten Goldelse und ihrer Säule stellten, war keine gute: Zwei Drittel der Oberflächenvergoldung muss erneuert werden, am Fundament bricht Mörtel aus den Fugen. Wer um den Sockel der Säule herumspaziert, kann auch hier die Schäden mit bloßem Auge erkennen. Einfacher noch ist es allerdings beim Aufstieg zur Aussichtsplattform.

Über 285 Stufen führt eine Wendeltreppe hinauf – und vom Marmor an der Wand ist kaum mehr etwas zu sehen. Generationen von Besuchern haben sich hier mit bunten Stiften auf dem Stein verewigt. Leon, Anja, Matthew, Yilmaz, Schüleraustausch 2000, ein Treppenabsatz höher dann „Austausch 2002“. Ein buntes wieder und wieder überschriebenes touristisches Palimpsest rankt sich entlang der Treppe und bis hinaus auf die Plattform. Der „Graffitischutz“, der an Teilen der Wand klebt, blättert ab – und lässt das Innere noch verwahrloster aussehen.

„Dass die Leute immer alles beschmieren müssen“, sagt eine Frau mit Hut entrüstet. Eine Gruppe junger Italiener stört das Geschreibsel hingegen überhaupt nicht. Graffiti und Berlin gehören eben zusammen. Und auf einem Erinnerungsfoto – sogar der Fernsehturm reckt sich in der Ferne – darf so etwas gar nicht fehlen. Der Halbwüchsige, der sich von seinen Eltern gelangweilt die Treppenstufen hinaufargumentieren lässt, blickt versunken auf die Namen an der Wand – ob seiner wohl auch irgendwo zu finden ist? Möglich ist es: Mehr als 150 000 Touristen aus aller Welt besuchen das Bauwerk in jedem Jahr – bald in neuem Glanz.

Erbaut wurde die Säule

von 1864 bis 1873.

Erst stand sie auf dem Königsplatz nahe des Reichstags.

Tausende Besucher

haben sich mit Stiften an den Wänden entlang der Wendeltreppe im Innern verewigt.

Knapp 67 Meter ist die Säule hoch. 200 Quadratmeter Blattgold

veredeln „Goldelse“

und Kanonenrohre.

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