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Berlin: Sitz! Bei Fuß! Brav! - auch Tierärzte wollen Hunde-TÜV

Veterinäre unterstützen Senatorin und Grüne - Kritiker halten Idee für "unrealistisch"Christoph Stollowsky Hunde-TÜV oder -Führerschein? Rasseverbote, Haltungsbeschränkungen, Leinenpflicht?

Veterinäre unterstützen Senatorin und Grüne - Kritiker halten Idee für "unrealistisch"Christoph Stollowsky

Hunde-TÜV oder -Führerschein? Rasseverbote, Haltungsbeschränkungen, Leinenpflicht? Das Karussell mit Vorschlägen, wie aggressive Hunde gestoppt werden können, dreht sich immer schneller. Hundefreunde und -Gegner haben längst den Überblick verloren, die Debatte scheint auf den Hund gekommen. Seit Jahresbeginn setzte sich im Senat eine harte Linie gegen Kampfhunderassen durch, deren Haltung verboten oder erschwert werden sollte, doch nun kündigt sich bei der verantwortlichen Gesundheitsverwaltung eine Kehrtwende an, die von Berlins Tierärztekammer gestern unterstützt wurde: Wie vor einem Jahr, als man die generelle Leinenpflicht erwog, schätzt die Behörde wieder jeden Hund als potenziell gefährlich ein und prüft weitergreifende Auflagen. Im Gespräch sind ein Hunde-Führerschein für Halter und ein Gutachten (TÜV) für alle Tiere.

Hintergrund des Hin und Hers ist der Streit um die Frage, ob jeder Hund in unkundigen Händen zum Beißer werden kann oder eine ernsthafte Gefahr nur von Kampfhunderassen wie Pit Bulls droht. Wer die letztere Ansicht vertritt, setzt sich für ein Zuchtverbot wie in Frankreich oder eine restriktive Genehmigung wie in Bayern ein, oder er plädiert für Haltungsauflagen, was bedeutet, dass ein Kampfhund nur auf eingefriedeten Grundstücken frei laufen darf. Das Problem der ständigen Horrormeldungen über Bisse, heißt es, sei damit erledigt.

Kritiker halten diese Strategie für kaum überwachbar ("Welcher Polizist kennt sich mit Rassen aus?") und argumentieren, verantwortungslose Besitzer könnten jeden Hund in eine Waffe verwandeln. In Konsequenz plädieren sie für den generellen Hunde-TÜV oder gar Führerschein, für eine Hundeversicherungspflicht und gut sichtbare Plaketten, die jedes Tier tragen sollte, um es öffentlich kontrollierbar zu machen.

Auf diesen Kurs schwenkt nun offenbar Gesundheitssenatorin Gabriele Schöttler (SPD) ein - skeptisch beäugt von ihrer eigenen Partei, die eher Haltungsbeschränkungen für Kampfhundeoder gar das "Modell Bayern" anstrebt, wozu sich auch die CDU durchringen konnte. "Wer soll denn alle 100 000 Berliner Hunde auf ihre Gutartigkeit hin überprüfen?", fragt SPD-Hundeexpertin Fischer und hält die Idee für "kaum machbar". Eine Position, die auch der Vizevorsitzende des Verbandes der Hundevereine (VDH), Siegfried Peter, vertritt.

Tierschutzverein und Tierärztekammer unterstützen hingegen die Initiativen für einen Hunde-TÜV und -Führerschein. "Viele Hundehalter wissen zu wenig über ihr Tier, haben es schlecht unter Kontrolle. Es ist ihnen nicht klar, dass ihr Schützling Aufwand erfordert. Das zu ändern, ist im Interesse des Tierschutzes", sagt der Vorsitzende der Tierärztekammer, Klaus Lüdcke, und wirbt für sein Konzept, das sich mit Forderungen der Grünen weitgehend deckt und der Gesundheitssenatorin um Längen voraus ist. Lüdcke will Kommissionen mit Hundeexperten ins Leben rufen, die vor allem prüfen, wie ein Halter mit seinem Tier umgeht und es dirigiert. Denn davon hänge in erster Linie die Friedfertigkeit des Hundes ab. In der Folge müssten sich die Halter intensiv mit Hunde-Erziehung auseinandersetzen.

Nach einem Stufenplan sollen erst alle neu angeschafften sowie aggressiv auffälligen Tiere einen TÜV absolvieren, schon vorhandene Hunde müssten sich hingegen erst später bewähren und dann auch nur größere Exemplare ab 17 Kilo Gewicht und 40 Zentimetern Schulterhöhe. Dies soll verhindern, dass Tiere ausgesetzt werden. Für die Kosten sollen die Besitzer zahlen. Preis pro Test: 50 bis 100 Mark.

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