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Wer kommt denn da? Zwei Designierte. Der künftige Regierende Bürgermeister Michael Müller (r.) holt Matthias Kollatz-Ahnen als Finanzsenator nach Berlin.

© dpa

So viele Zahlen, so wenig Zeit: Berlins künftiger Finanzsenator muss sofort loslegen

Matthias Kollatz-Ahnen wird neuer Finanzsenator. In Ruhe einarbeiten kann er sich nicht, denn die Arbeit am nächsten Doppelhaushalt hat schon begonnen. Manche fürchten, der Hesse könnte angesichts Berliner Verhältnisse einen Schock erleiden – oder sei nicht durchsetzungsstark genug.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Dem künftigen Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen geht es wie einem, dem die verblichene Großtante ein Häuschen mit Grundstück vermacht hat. Erst kommt die große Freude, dann stellt sich heraus, dass am Dachstuhl der Holzwurm nagt, der Keller feucht ist und der Fußboden morsch. Eine teure Angelegenheit! Trotzdem hat der linke SPD-Mann aus Hessen das Erbe nicht ausgeschlagen, er will das Amt antreten und macht auf alle, Vertreter der Regierung und Opposition, zunächst mal einen sympathischen, fachkundigen und bemühten Eindruck.

Mal sehen, wie weit er damit kommt. Nach seiner Ernennung am Donnerstag muss sich Kollatz sofort in die äußerst komplexen Finanzangelegenheiten Berlins einarbeiten. Denn die Senatsbehörden und Bezirke haben schon im November damit begonnen, ihre Wünsche für den Landeshaushalt 2016/17 anzumelden. Die Akten liegen schon auf dem Schreibtisch. Im Frühjahr 2015 sollen die Eckdaten für den neuen Doppeletat vom Senat beschlossen werden, kurz vor der Sommerpause das gesamte Zahlenwerk. Eine stressige Zeit für jeden Finanzsenator, mit einer gemütlichen Einarbeitungsphase kann Kollatz nicht rechnen.

Bei seiner Vorstellung in den fünf Fraktionen haben sich die Haushaltsexperten des Abgeordnetenhauses von ihrem neuen Ansprechpartner ein erstes Bild gemacht. Der allgemeine Eindruck: Kollatz pflege einen umgänglichen Ton, höre zu und sei bereit, neben den Sparzwängen Berlins auch die Probleme der rapide wachsenden Stadt und den daraus resultierenden Finanzbedarf im Auge zu behalten. In der Sache sei er klar und deutlich. Aber: Es handele sich offenbar um einen manchmal in sich gekehrten Intellektuellen, dem möglicherweise die nötige Härte fehle, um die anstehenden Verteilungskämpfe erfolgreich zu bestehen.

„Kollatz kennt diese Berliner Verwaltung noch nicht“, unkt ein Abgeordneter der Opposition. Ein SPD-Genosse befürchtet, „dass der neue Finanzsenator erst mal den Berlin-Schock bekommen wird, wie andere Senatsmitglieder, die vor ihm in die Stadt kamen“. Aber vielleicht wurde Kollatz ja vom früheren Bildungssenator Jürgen Zöllner vorgewarnt, dem sozialdemokratischen Hochschulexperten aus Rheinland-Pfalz, der sich an das raue Klima zwischen Spree und Havel erst mit der Zeit gewöhnte. Die beiden sollen gut befreundet sein.

Das künftige Amtszimmer in der fünften Etage der Finanzverwaltung, Klosterstraße 59 in Mitte, hat der ehemalige Jungsozialist, Banker und Wirtschaftsberater schon in Augenschein genommen. Beide Staatssekretäre, Margaretha Sudhoff (Vermögen) und Klaus Feiler (Haushalt), bleiben. Das ist schon mal was, die Berliner Finanzbehörde ist personell und organisatorisch gut aufgestellt. Und der parteilose Vorgänger Ulrich Nußbaum hinterlässt Kollatz mit einem überraschend hohen Jahresüberschuss von mehr als 500 Millionen Euro ein schönes Weihnachtsgeschenk.

Bald aber wird’s ernst. Eines der großen Probleme, mit denen sich „der Neue“ auseinandersetzen muss, ist die Reform des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern, die sich weit ins nächste Jahr hineinziehen wird. Berlin drohen im schlimmsten Fall jährliche Einnahmeverluste in hoher dreistelliger Millionenhöhe. Und es gibt weitere große Herausforderungen: Die hohe Verschuldung von mehr als 60 Milliarden Euro bleibt ein Finanzrisiko, denn die Zinsen werden irgendwann wieder steigen. Dass die Wirtschaft floriert, was hohe Steuereinnahmen bringt, ist erfahrungsgemäß auch kein Dauerzustand. Außerdem bröselt Berlin an vielen Ecken, der Investitionsstau im öffentlichen Bereich ist auf mehr als zehn Milliarden Euro angewachsen.

Was noch? Die öffentliche Verwaltung ist überaltert und nach wie vor modernisierungsbedürftig. Die Bezirke fordern jetzt mehr als 1200 neue Stellen, das würde mindestens 50 Millionen Euro jährlich kosten. Die Sozialausgaben steigen weiter und eine wirksame Wohnungsbauförderung wird mehr Geld brauchen als die bewilligten 64 Millionen Euro pro Jahr. Eine verzweifelte Haushaltsnotlage wie vor einem Jahrzehnt liegt heute zwar nicht mehr vor, seit 2012 schließt der Haushalt mit Überschüssen ab. Aber es sieht danach aus, dass die Verteilungsspielräume in den nächsten Jahren wieder deutlich kleiner werden. Für jeden Finanzsenator bleibt Berlin eine Herausforderung.

Übrigens: Kollatz-Ahnen glaubte einst an den BER und bewilligte ein Milliardendarlehen. Lesen Sie hier mehr. Und was ist vom zweiten neuen Senator zu halten? Hier erfahren Sie mehr über den künftigen Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel.

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