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Geschafft. Die grüne Ex-Spitzenkandidatin Renate Künast, hier mit Landesparteichefin Bettina Jarasch, widmet sich künftig wieder ihren Aufgaben im Bundestag.

© dapd

SPD macht Rückzieher: Katerstimmung bei den Grünen

Die Grünen haben auf ihrem Parteitag deutlich gemacht: Sie wollen mitregieren Aber die Reaktion der Sozialdemokraten dämpft die Hoffnung

Von der positiven Aufbruchsstimmung am Freitagabend ist am Sonnabend bei den Berliner Grünen nicht mehr viel zu spüren. Mit großer Mehrheit hatten sie auf ihrem Parteitag beschlossen, Koalitionsgespräche mit der SPD aufzunehmen. Am kommenden Mittwoch, so die bisherige Planung, soll es losgehen. „Wir wollen Verantwortung übernehmen, wenn die Bedingungen stimmen“ sagte Parteichef Daniel Wesener. Eine „starke grüne Handschrift“, so die Hoffnung der Partei soll den Koalitionsvertrag prägen.

Aber schon am Samstagvormittag folgte der Dämpfer. SPD-Landeschef Michael Müller macht im Interview mit dem Tagesspiegel deutlich, dass die Grünen am Abend zuvor seiner Partei nicht weit genug entgegengekommen sind, und fordert die Parteispitze auf, ihre Position bis zu einem weiteren Sondierungsgespräch am Dienstag zu revidieren.

Das wiederum verärgert die Grünen. Zum Beispiel Michael Cramer, der für seine Partei im Europaparlament sitzt und für den Parteitag am Freitagabend nach Berlin gereist war. „Es geht hier nicht um uns, sondern um die SPD“, entgegnet er am Sonnabendmittag zornig. Die Berliner Grünen hätten sich genug bewegt, nun sei es an der SPD, ihrem angeblichen Wunschpartner entgegenzukommen.

Den Sozialdemokraten wirft Cramer vor, sie hätten nach dem rot-grünen Kompromiss in Sachen A 100, den die Verhandlungskommissionen beider Parteien vor gut einer Woche erzielt hatten, den Inhalt der Einigung nachträglich einseitig geändert und jenen Satz hinzugefügt, der aus Sicht der Grünen den Kompromiss zur A 100 konterkariert: „Lässt sich eine Umwidmung der Bundesmittel nicht erreichen, steht die Koalition zum Weiterbau der BAB 100“, heißt es auf der Liste der für die SPD-Spitze wesentlichen Punkte für eine künftige Regierung.

Für die Sozialdemokraten ist dies eine logische Konsequenz aus der Einigung mit den Grünen, nach der ein Weiterbau der Autobahn nicht grundsätzlich in Frage gestellt werde, falls mit dem Bund keine Einigung über eine anderweitige Verwendung der dafür zur Verfügung stehenden Mittel erzielt werden kann. Für die Grünen hingegen ist diese SPD-Lesart eine „misstrauensbildende Maßnahme“, wie Cramer schimpft. Er befürchtet, dass die SPD sich insgeheim schon von rot-grünen Koalition verabschiedet hat. „Wowereit hat Muffensausen“, sagt er und spielt darauf an, dass SPD und Grüne im Abgeordnetenhaus nur eine Stimme mehr haben, als für die Wahl des Regierenden Bürgermeisters nötig. Cramers Verdacht: Die SPD will lieber mit der CDU koalieren, mit der zusammen sie neun Mandate mehr hätte. Dass die SPD jetzt beim Streit um die Autobahn ein weiteres Entgegenkommen fordere, sei „rein machtpolitisch“ motiviert, meint Cramer.

Die Berliner Grünen-Führung äußerte sich am Sonnabend demonstrativ zurückhaltend. „Wir dürfen nicht wieder alles aufkündigen, was wir erreicht haben“, sagt Parteichefin Bettina Jarasch. „Wir stehen zum Kompromiss mit der SPD.“ Zur Vereinbarkeit der Positionen zur Autobahn sagt sie diplomatisch: „Ich möchte dahin zurückkehren, dass man so etwas in Koalitionsverhandlungen bespricht statt über die Medien.“ Es sei nötig, sich zusammen mit Experten „auf eine gemeinsame Faktenlage zu verständigen“. Dann sei ein gemeinsamer Weg von SPD und Grünen weiterhin denkbar. Lars von Törne

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