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Fünf Ringe für Berlin? Die Olympia-Bewerbung stockt, es gibt Streit ums Geld.

© Thilo Rückeis

Posse um Berliner Olympia-Bewerbung: Sportfunktionäre streiten über Reise nach Tokio

Der Landessportbund will die Olympischen Spiele 2036 nach Berlin holen und dafür in Tokio werben. Doch dem Schatzmeister ist die Reise zu teuer.

Am vergangenen Mittwoch zog Thomas Härtel, Präsident des Berliner Landessportbunds (LSB), die Reißleine. In einer auf der Homepage des Verbands veröffentlichten Meldung erklärte er: Der Zug für eine Bewerbung der Hauptstadt für die Olympischen wie Paralympischen Spiele 2032 ist abgefahren. Zu kurzfristig der Bewerbungszeitraum, an dessen Ende die Vergabe bereits im Jahr 2022 – und damit zehn Jahre vor dem eigentlichen Event – stehen könnte.

„Das ist für Berlin zu knapp“, erklärte Härtel. Schließlich könne eine Bewerbung nur dann erfolgreich sein, „wenn sie aus der Gesellschaft kommt und von ihr getragen wird.“ Danach sieht es aktuell nicht aus.

Bleibt der Blick in die noch fernere Zukunft, das Jahr 2036. Eine „spannende Diskussion“ verspricht sich Härtel anlässlich des dann anstehenden 100-jährigen Jubiläums der von den Nazis gekaperten Olympiade in Berlin. Er sehe die Chance, zeigen zu können, „wie sich Deutschland seit den missbrauchten Spielen durch das Nazi-Regime verändert hat.“

Eklat um Tokio-Reise

Angehen würde er dieses Projekt am liebsten schon in diesem Sommer. Mehrere Mitglieder des LSB-Präsidiums sollen sowohl zu den Olympischen wie auch zu den Paralympischen Spielen nach Tokio fliegen, um dort Netzwerke zu knüpfen und Kontakte zu pflegen, die auch für die Bewerbung 2036 hilfreich sein könnten.

Anlass für die Pläne ist ein „Berliner Abend“, an dem der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Sportsenator Andreas Geisel (SPD) teilnehmen werden. Veranstaltungen wie diese sind zwischen befreundeten Städten wie Tokio und Berlin üblich. Die beiden Hauptstädte verbindet seit 1994 eine Städtepartnerschaft.

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Widerstand gegen die Pläne Härtels kommt nun ausgerechnet aus den eigenen Reihen. Reinhard von Richthofen, Schatzmeister des LSB und einer von neun Stellvertretern des Präsidenten, verweigerte Härtels Plänen auf der jüngsten Präsidiumssitzung des LSB im Januar seine Zustimmung. Zwar habe sich Härtel damals lediglich ein Stimmungsbild einholen wollen, erklärte dieser am Dienstag. Dennoch dürfte sich an der Kritik von Richthofens so schnell nichts ändern. „Ich bin nicht der Auffassung, dass das von Härtel beschriebene Netzwerken auf einem Berliner Abend überhaupt stattfindet“, erklärte er und verwies auf eigene Erfahrungen aus dem Jahr 2012.

Kosten sind das Hauptproblem

Damals hatte er anlässlich der Sommerspiele in London am Berliner Abend teilgenommen. Der Nutzen habe die Kosten der von ihm privat bezahlten Reise nicht aufgewogen, sagte von Richthofen. Weil er genau das auch für Tokio befürchtet, lehnt er die Pläne Härtels ab. „Als Schatzmeister bin ich dazu verpflichtet, die Kosten im Blick zu halten“, sagte von Richthofen. Sollten die Reisen stattfinden, rechnet er mit Kosten von bis zu 16.000 Euro.

Licht und Schatten. Die Nazis gaukelten der Welt 1936 bei den Olympischen Spielen friedliche Absichten vor und bereiteten insgeheim den Krieg vor.

© imago images / United Archives

Im Hintergrund schwelt noch eine ganze andere Sorge. Im März konstituiert sich unter Mitwirkung verschiedener LSB-Mitglieder eine Beitragskommission. Diese soll bis zum Verbandstag im November Vorschläge erarbeiten, wie die von Vereinen und Verbänden an den LSB gezahlten Beiträge angepasst – sprich erhöht – werden sollen.

In einem Jahr die Beiträge erhöhen und mehrere tausend Euro für Reisen nach Tokio ausgeben, für von Richthofen passt das nicht zusammen. „Ich sehe die Notwendigkeit nicht“, sagt er im Bewusstsein darüber, dass sein Veto allein die Pläne nicht wird kippen können. Zwei weitere Mitglieder des Präsidiums hatten sich bei der Abstimmung enthalten. Alle anderen stimmten den Plänen zu.

Olympische Spiele, das bedeutet, es gibt einen festen Termin, bis zu dem alles fertig werden muss. Ohne Verlängerung, ohne Ausreden. Wer will denn sowas bei uns garantieren?

schreibt NutzerIn Gophi

"Es handelt sich nicht um eine Lustreise"

Härtel selbst, spürbar angefressen von der quasi Attacke seines Stellvertreters, weist dessen Kritik zurück. „Wenn der Senat anlässlich Olympischer und Paralympischer Spiele einen Berliner Abend plant, darf der Berliner Sport und damit der LSB mit seinen 660.000 Mitgliedern nicht fehlen“, erklärte er. „Es handelt sich dabei nicht um eine Lustreise, sondern es geht um Kontakte und die Pflege von Netzwerken.“ Bei großen Projekten wie der Bewerbung um Olympische Spiele würden Kleinigkeiten entscheiden, sagte Härtel.

Auch Friedhard Teuffel, Direktor des LSB und einer derjenigen, die für den Verband nach Tokio fliegen sollen, sprach von einem „schrägen Zeichen, wenn wir dort nicht vertreten wären.“ Genau wie Härtel sieht Teuffel in einer Bewerbung Berlins für die Olympiade 2036 große Chancen. Die geplante Reise mit Blick auf die anstehende Beitragserhöhung zu kritisieren, hält er für „nicht fair“. Die Teilnahme des LSB am Berliner Abend sei „extrem wichtig“.

Die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang der LSB dabei vertreten sein wird, fällt am kommenden Mittwoch. Aktuell planen Härtel und Teuffel mit drei Reisenden und Kosten von unter 10.000 Euro – für alle zusammen. Reinhard von Richthofen wird an der Sitzung nicht teilnehmen. Der Schatzmeister verbringt die nächsten drei Monate im Urlaub – auf Kreuzfahrt.

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