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Großeinsatz. Nach der Entführung von Storkow durchsuchten Hundertschaften der Polizei das Gebiet. Foto: dpa/Nestor Bachmann

© picture alliance / dpa

Berlin: Spuren ins Nichts

Zwei spektakuläre Kriminalfälle halten die Polizei in Berlin und Brandenburg in Atem Aber nicht nur die Entführung von Storkow und die Todesschüsse von Neukölln bleiben vorerst ungeklärt.

Berlin/Potsdam – Rätselhaft und erschreckend – dies sind dann aber schon die einzigen Parallelen zwischen den beiden ungeklärten Kriminalfällen, die hunderte Polizisten im zu Ende gehenden Jahr in Atem hielten.

Am Donnerstag, dem 5. April, sitzt Burak Bektas mit vier Freunden kurz nach Mitternacht vor dem Haus Rudower Straße 51 auf dem Gehweg. Sie unterhalten sich, ohne Krakeelerei. Gegen 1.15 Uhr tritt ein Unbekannter an die jungen Männer heran. Wortlos feuert er sofort aus seiner Waffe. Der 22-jährige Burak ist sofort tot, zwei Freunde erleiden schwerste Verletzungen, ringen einige Zeit mit dem Tod. Der Schütze flüchtet in Richtung Möwenweg. Nachdem der Fall – für viele wider Erwarten – nicht gleich aufgeklärt wurde, gedeihen die Gerüchte. War der Schütze etwa ein Neonazi? Schließlich stammten alle fünf Jugendlichen aus Migrantenfamilien. Die Polizei schließt das nicht aus, wie nichts in diesem Fall. Ein halbes Jahr, nachdem die NSU- Morde aufgedeckt wurden, darf die Polizei einen rechtsradikalen Hintergrund nicht ausschließen. Jedoch gibt es keinen Hinweis auf ein fremdenfeindliches Motiv, aber auch auf kein anderes. War es ein Spinner oder Querulant, der sich über die Jugendlichen ärgerte ? Doch Querulanten sind in der Nachbarschaft immer bekannt. Also klappern Ermittler die Umgebung ab auf der Suche nach Hinweisen auf solch eine Person. Erfolglos.

Kannten sich Täter und Opfer? Unklar. Und falls doch: Zu welchen Opfer gibt es eine Verbindung? Angeblich hatte Burak vor der Tat die Beziehung zu einem Mädchen beendet. Dass der Schütze auf mehrere Menschen feuert, spricht gegen eine Beziehungstat. Ebenso kreisten Gerüchte, dass die Opfer in kriminelle Machenschaften verwickelt seien – auch das wäre ein klassisches Tatmotiv. Doch auch hier kamen die Ermittler nicht weiter – Burak Bektas war kein Krimineller.

Die Beschreibung des Täters ist dürftig, sie dürfte auf etwa jeden dritten Berliner zutreffen: Etwa 1,70 bis 1,80 Meter groß und 40 bis 60 Jahre alt. Für ein Phantombild reichten die Angaben der Überlebenden nicht. Die schnell ausgesetzte sehr hohe Belohnung von 15 000 Euro brachte auch kein Licht ins Dunkel.

Im rätselhaftesten Brandenburger Fall ist das Motiv jedenfalls klar: Habgier. Am Abend des 5. Oktober 2012 wird der 51-jährige Stefan T. aus seinem Haus bei Storkow entführt. Ein Unbekannter dringt in das Haus des wohlhabenden Unternehmers ein, bedroht Frau und Kind mit einer Waffe. Er fordert Geld. Der Maskierte fesselt T. und zerrt ihn in den Garten, der an den Großen Storkower See grenzt. Er bindet den 51-Jährigen an ein Kanu und flüchtet mit ihm übers Wasser. Nach 35 Stunden gelingt es Stefan T., sich zu befreien, er rennt dem Entführer davon. Später findet die Polizei das Versteck, in dem T. zwei Nächte in Todesangst verbrachte. Es ist eine Schilfinsel, die nicht einmal Ortskundige kennen. Doch eine Spur zum Entführer finden auch Hundertschaften der Polizei nicht, die das Gebiet tagelang untersuchen.

Schnell ist klar, dass es eine Verbindung zu einem anderen spektakulären Kriminalfall gibt: Der Schuss, den der Maskierte im Haus der Familie als Warnung in die Decke feuerte, ist aus der Waffe abgefeuert worden, die auch im August 2011 bei den Anschlägen auf eine Berliner Unternehmerfamilie benutzt wurde. Die beiden Tatorte liegen keine zehn Kilometer auseinander, beide liegen direkt an einem See. Schon damals nahm die Polizei an, dass der Täter Ortskenntnis haben musste. Doch niemand scheint ihn zu kennen, hunderte Nachbarn, Spaziergänger und Angler werden befragt. Erfolglos. Der Entführer bleibt ein Phantom. Beide Familien stehen seitdem unter Polizeischutz. Mutmaßungen kursieren, der Täter müsse eine militärische Spezialausbildung haben. Möglich ist auch, dass das Phantom bereits die dritte Tat vorbereitet, um an Geld zu kommen.

Doch nicht nur die Kriminalfälle von Neukölln und Storkow gelten als ungeklärt: Offiziell wird noch nach Hinweisen zu der brutalen Tötung von Jonny K. auf dem Alexanderplatz gesucht. Der mutmaßliche Haupttäter ist, wie berichtet, in die Türkei geflohen. Sein über einen Rechtsanwalt übermitteltes Versprechen sich zu stellen, hat er gebrochen.

In zwei anderen Fällen fahndet die Mordkommission mit Bildern aus Überwachungskameras. Neun Monate sind mittlerweile seit dem Verbrechen an dem 62-jährigen Manfred Kindel vergangen. Der pensionierte Lehrer war am 23. März in seiner Wohnung am Klausenerplatz mit Messerstichen getötet worden. Der Täter hatte mit Kindels EC-Karte anschließend Geld abgehoben und war dabei gefilmt worden. Bilder aus einer Kamera gibt es auch von einer brutalen Tat nach einem Hertha-Fußballspiel. Am 26. September wurde am S-Bahnhof Olympiastadion ein Schwerbehinderter mit Down-Syndrom mit seinem Hertha-Schal so gefesselt, dass er fast erstickt wäre. Der Mann war bereits stark benommen, als er gegen 20 Uhr von Bundespolizisten auf dem Bahnsteig bemerkt wurde. Gefasst wurde niemand.

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