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Der Regierende Bürgermeister von Berlin Kai Wegner (l-r CDU), Bundeskanzlerin a.D. Angela Merkel (CDU), Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, kommen zur Beisetzung der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer auf den Friedhof Weißensee der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

© dpa/Kay Nietfeld

Update

Viel Prominenz bei Trauerfeier: Holocaust-Überlebende Friedländer neben ihren Großeltern auf Jüdischem Friedhof in Berlin beigesetzt

In Weißensee ist die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer beigesetzt worden. Zur Trauerfeier kamen auch Friedrich Merz, Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier. Max Raabe sang zum Abschied.

Stand:

Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen ist am Donnerstagvormittag die verstorbene Holocaust-Überlebende und Ehrenbürgerin Berlins Margot Friedländer auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee beigesetzt worden. Ihr Grab liegt neben dem Grab ihrer Großeltern. Zur Trauerfeier kamen unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU).

Auch Altkanzlerin Angela Merkel (CDU), Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz und der frühere Bundespräsident Joachim Gauck verabschiedeten sich dort.

Im Mittelpunkt der bewegenden Zeremonie nach jüdischem Ritus standen das ehrende Gedenken, Gebete und der Abschied auch der engsten Weggefährten von der Verstorbenen. Nicht alle geladenen Gäste fanden in der Trauerhalle Platz. Im Gang davor wurde das Geschehen auf Bildschirmen übertragen.

Männer tragen den Sarg der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer im Friedhof Weißensee der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

© dpa/Kay Nietfeld

Zur Trauerfeier kamen viele Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft.

© dpa/Kay Nietfeld

Weiße und rosafarbene Rosen schmücken Friedländers Sarg.

© dpa/Kay Nietfeld

„Liebe Frau Friedländer, Sie haben uns einen Auftrag hinterlassen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, in seiner Begrüßung und richtete sich, wie andere Redner auch, direkt an die Verstorbene. „Er heißt schlicht und eindringlich: Seid Menschen. Wir versprechen Ihnen, wir werden erinnern, wir werden sprechen und wir werden versuchen, Ihrem Wunsch gerecht zu werden, Menschen zu sein.“

Joffe erinnerte daran, dass die Nazis Mutter, Vater und Bruder Friedländers ermordet hätten, sie selbst im Konzentrationslager Theresienstadt überlebt hat. „Aber aus dieser Vergangenheit heraus sind Sie jemand geworden, der nicht hassen wollte, sondern erinnern, nicht anklagen, sondern erzählen“, so Joffe. Friedländer symbolisiere das, was einen Menschen ausmache: Wärme, Nahbarkeit und Mitgefühl.

Er bedankte sich bei Bundestagspräsidentin Julia Klöckner für die Gedenkstunde im Bundestag, aber auch bei Merz, Scholz und Merkel und dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Stephan Harbarth. Es sei ein großes Zeichen, dass sie sich heute von einer Shoah-Überlebenden verabschiedeten. Kantor Isodoro Abramowicz, der auch das Abschlussgebet sprach, sang anschließend den 116. Psalm. Abramowicz ist Kantor von Friedländers Gemeinde in der Pestalozzistraße.

Auf ausdrücklichen Wunsch der Verstorbenen leiteten mit Jonah Sievers von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und Yehuda Teichtal von der Jüdischen Gemeinde Chabad ein liberaler und ein orthodoxer Rabbiner die Zeremonie gemeinsam und näherten sich so auch der Essenz ihres Wirkens. Sie habe Spuren hinterlassen, ihr Leben sei ein Vermächtnis. „Liebe deinen Nächsten, weil er ein Mensch ist wie du“, sagte Sievers. Sie sei kein Mensch der großen Gesten gewesen, sondern der klaren Worte.

Das Licht weitertragen

Auch Teichtal wünschte sich, dass die Botschaft Friedländers weitergetragen wird: „Wir sind alle Deine Kinder, die wir von Dir inspiriert wurden, Margot“, rief er. „Deine Geschichte ist eine Geschichte der Stärke und der unzerbrechlichen Menschlichkeit.“ Der heutige Tag sei das Ende einer Epoche und markiere den Beginn einer Verpflichtung, sodass ihr Licht weitergetragen werde. Sie habe gezeigt, dass jede einzelne Person die Macht habe, die Welt menschlicher, wärmer und liebevoller zu machen.

Anschließend sang Max Raabe „Irgendwo auf der Welt“ mit den Zeilen: „Irgendwo, auf der Welt, fängt mein Weg zum Himmel an …“ Es war der Wunsch der Verstorbenen, dass Raabe, mit dem sie befreundet war, an diesem Tag noch einmal für singt.

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Im Anschluss an die Trauerfeier begann gegen 11 Uhr die Beisetzung. Lang ging der Zug mit dem Sarg über den großen Friedhof bis zum alten Teil, wo bereits Friedländers Großeltern Adele und Wilhelm begraben liegen. Dort hat sie Platten anbringen lassen für ihre Mutter und ihren Bruder Ralph, die beide in Auschwitz ermordet wurden.

Mit an der Spitze des Trauerzugs ging der Orthopädie-Professor Karsten Dreinhöfer, der sie in den letzten Jahren begleitet und ihr geholfen hat, das Alter von 103 Jahren zu erreichen.

Die Dämonen kamen nach den Vorträgen

Das Gebet, das Kaddisch, sprach am Grab Leeor Engländer, der Freund, der zuvor eine berührende Trauerrede gehalten hatte. Ihm hat sie auch von den Dämonen erzählt, die sie immer wieder heimsuchten, nachdem sie vor Schülern von ihrem Schicksal erzählt hat. Von den Albträumen und der quälenden Frage, warum ihr Bruder ermordet wurde, der so begabt war, die Mutter, der Vater.

Am Tag der Beisetzung stehen Kränze und ein Bild von Friedländer auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee.

© dpa/Christophe Gateau

Vor der Trauerhalle in der Weißenseer Herbert-Baum-Straße waren fünf große Kränze aufgestellt worden: vom Bundespräsidenten, vom Bundeskanzler, von der Präsidentin des Bundestags, vom Regierenden Bürgermeister, der Präsidentin des Abgeordnetenhauses und von der Präsidentin des Europäischen Parlaments.

André Schmitz, Klaus Wowereit, Michael Müller gingen mit

Auch Ex-Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach, Berlins frühere Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Michael Müller (beide SPD) und Ex-Kultursenator Joe Chialo (CDU) erschienen zum Abschied von Friedländer.

Auch Monika Grütters, Angela Merkel, Olaf Scholz und seine Frau Britta Ernst nahmen Abschied von Margot Friedländer.

© dpa/Kay Nietfeld

Bundeskanzler Friedrich Merz und Ex-Bundespräsident Joachim Gauck begrüßen sich bei der Beisetzung.

© dpa/Kay Nietfeld

Darüber hinaus Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner und Friede Springer, der israelische Botschafter Ron Prosor, der Chef des Hauses Hohenzollern, Georg Friedrich Prinz von Preußen mit seiner Familie, die Moderatorinnen Sandra Maischberger und Dunja Hayali, Schauspielerin Iris Berben und Regisseur Wim Wenders mit Frau Donata.

Der frühere Kulturstaatssekretär André Schmitz ging ebenfalls mit. Er hat Friedländer bei ihrem ersten Berlin-Besuch in Empfang genommen, woraus sich eine jahrelange Freundschaft entwickelte, in deren Rahmen er sie mit vielen Berlinern bekannt machte.

430 Einsatzkräfte der Polizei unterwegs

Ebenso vertreten: der langjährige Intendant der Deutschen Oper Dietmar Schwarz, der Rechtsanwalt und Mäzen Peter Raue sowie Unternehmer August von Joest und seine Frau Heike. 430 Einsatzkräfte der Berliner Polizei waren im Einsatz, um einen sicheren Ablauf der Beisetzung von Margot Friedländer zu gewährleisten.

Auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee sind auch Friedländers Großeltern beerdigt.

© dpa/Christophe Gateau

Karsten Dreinhöfer (l), Vorstandsvorsitzender der Margot Friedländer Stiftung und Yehuda Teichtal, Gemeinderabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, bei der Trauerfeier.

© dpa/Christophe Gateau

Auf dem Jüdischen Friedhof sind unter anderem der Verleger Samuel Fischer, der Journalist Theodor Wolff und der Kaufhausgründer Hermann Tietz begraben.

Heimkehr nach Berlin mit 88 Jahren

Berlins Ehrenbürgerin Margot Friedländer war am 9. Mai in Berlin im Alter von 103 Jahren gestorben. Als junges Mädchen wurde sie von den Nazis gejagt, konnte sich in ihrer Heimatstadt Berlin lange verstecken. Sie wurde schließlich doch geschnappt und überlebte das Konzentrationslager Theresienstadt.

Die verstorbene Holocaust-Überlebende Margot Friedländer erhält in Berlin ein Ehrengrab. (Archivbild)

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Mit ihrem Mann Adolf Friedländer, den sie aus Berlin kannte und noch im Konzentrationslager heiratete, ging sie nach New York. Erst im Alter von 88 Jahren kehrte sie zurück in ihre Heimatstadt.

Auf Friedländers eigenes Grab soll noch eine Gedenkplatte kommen für ihren Mann Adolf, der in New York begraben ist. Er hat Deutschland nie wieder betreten, konnte nicht verzeihen, dass seine Mutter getötet wurde. Als Margot Friedländer nach seinem Tod 2003 auf Einladung des Senats mit einer Besuchergruppe zum ersten Mal wieder in Berlin war, freute sie sich spontan „aus so einer schönen Stadt zu kommen“. Und war gleichzeitig erschrocken über das Gefühl.

Seid Menschen!

Margot Friedländer

Später sagte sie: „Ich bin ganz Berlinerin. Ich liebe meine Stadt.“ Unermüdlich setze sie sich gegen Rassismus und Antisemitismus ein, sprach bis zum Schluss vor Schülern und bei öffentlichen Anlässen. Wie ein Vermächtnis klangen ihre Worte bei der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag des Kriegsendes zwei Tage vor ihrem Tod im Berliner Rathaus: „Seid Menschen. Das ist es, was ich euch bitte zu tun. Seid Menschen.“

Für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist Friedländers Vermächtnis „Mahnung und Verpflichtung, gerade in einer Zeit, in der die Demokratie angefochten wird und sich Antisemitismus wieder unverhohlen zeigt“. Er habe sie oft treffen können, trauere „um eine tief beeindruckende Frau, die mir auch persönlich ihre Freundschaft geschenkt hat“, sagte er schon vorab. 

Bis weit über die in Weißensee versammelte Trauergemeinde hinaus treffen seine Worte die Gefühle so vieler Menschen, die von ihrem unglaublichen Einsatz in so hohem Alter fasziniert waren, von ihrer Ausstrahlung, von ihrem Charme und von ihrer Weisheit: „Margot Friedländer wird uns allen schmerzlich fehlen. Wir werden sie niemals vergessen.“

An diesem Donnerstag hängen an den Berliner Regierungsgebäuden die Flaggen auf halbmast. Im Roten Rathaus liegt noch bis zum 23. Mai ein Kondolenzbuch aus, in dem Betroffene ihre Anteilnahme ausdrücken können. Eine öffentliche Gedenkveranstaltung ist in den kommenden Wochen geplant. (mit dpa, KNA)

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