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Stadtleben: Ankunft in der neuen Welt

1000 Gäste feierten die Premiere der O2-World. Und 1000 Demonstranten protestierten gegen die Halle

Drinnen enthusiastische Reden zur Eröffnung der neuen Berliner Großarena, draußen lautstarke Proteste gegen eben diesen Bau – die O2World am Ostbahnhof ist am Mittwochabend mit den erwarteten und berlintypischen Gegensätzen in Betrieb genommen worden. Drinnen war es Tim Leiweke, der Chef der Anschutz Entertainment Group (AEG), der mit original amerikanischem Überschwang Berlin eine der bedeutendsten Kulturmetropolen der Welt nannte und sagte: „Dies ist nicht das Ende der Story, sondern erst der Beginn.“ Draußen randalierten Demonstranten, stürmten die Bühne eines Radiosenders – und rund 20 Polizisten erlitten Verletzungen, als am Rande der Protestkundgebung am Kottbusser Tor eine Flasche zerplatzte, die offenbar Phosphorsäure enthielt.

Dennoch: Die Halle, die rund 17000 Gästen Platz bietet, ist nach 30 Monaten Planung und zwei Jahren Bauzeit seit Mittwoch in Betrieb. Die Eröffnungsfeier begann mit dem Auftritt einer in Rot gewandeten Tänzerin, die ihre Kunst unter rückwärts laufenden Uhren auf dem großen LED-Würfel, dem Mittelpunkt der Halle, zeigte. Tanz, Musik auf sechs Klavieren, dazu der Tenor Cenk Biyik, der eine kurze Puccini-Arie sang – die Zeremonie ließ nur einen kleinen Blick auf die technischen und künstlerischen Perspektiven der Halle zu.

Die Begrüßungsrede hielt Detlef Kornett, der Europa-Chef der AEG, der von einer Feststätte sprach, die Berlin verdient habe, und die die Stadt an die Seite von Entertainmentmetropolen wie Los Angeles, New York und London rücke. Jaime Smith, der Präsident von O2, lobte das Projekt in charmant spanischem Englisch, und schließlich äußerte sich Klaus Wowereit, dessen Engagement für die Arena von allen gelobt wurde, glücklich über die Eröffnung und ohne Verständnis für die Motive der Demonstranten.

Je mehr die Stimmung innen stieg, desto trostloser wurde es draußen, als die Demonstranten gegen 22 Uhr vom Vorplatz mehr und mehr verschwanden. Der trostloseste Arbeitsplatz, den Berlin gestern Abend zu bieten hatte, war vermutlich der eines Bierzapfers vor der O2-World. Verlassen lagen die zur Feier aufgebauten Stände im Dunkeln, keiner der Demonstranten, die sich nun doch bis an die Halle vorgearbeitet hatten, mochte die 3,80 Euro pro Glas zahlen. Manch einer hatte sich sicherheitshalber eine volle Flasche mitgebracht.

Es war dann doch nicht so glatt gelaufen, wie es die Polizei und die Sicherheitskräfte des Veranstalters der Eröffnungsparty erhofft und wohl auch erwartet hatten. Schließlich hatte die Polizei am Dienstagabend vor Gericht durchgesetzt, dass die linken Demonstranten nicht vor die Halle ziehen durften. „Unfriedliche Absichten“ seien angekündigt worden, was das Gericht auch so sah und 300 Meter Abstand verordnete.

Aber die Versammlung am Kottbusser Tor in Kreuzberg im Vorfeld der Feier konnte und wollte den Protestorganisatoren der „Spreepiraten“ niemand verwehren, und so trafen sich, von kontrollierenden Polizisten empfangen, etwa 900 Menschen auf dem Platz, während drüben in Friedrichshain vor der Halle die ersten Gäste eintrafen. Bei diesen Vorkontrollen kam es auch zu dem Zwischenfall mit der Chemikalienflasche, die ein 17-jähriger Protestler bei sich trug und die bei der Kontrolle, die er nicht über sich ergehen lassen wollte, zu Bruch ging. 20 Polizeibeamte mussten danach mit Reizungen der Atemwege ins Krankenhaus, die Feuerwehr spülte die Flüssigkeit später weg.

Beim Zug zur Halle waren es teilweise 1000 Personen, der Hauptteil wurde durch die umfangreichen Absperrungen gestoppt. Allerdings gelang es rund 200 Hallengegnern, die Absperrungen zu umgehen und sich seitlich zum Vorplatz der Halle vorzuschmuggeln. Die Demonstrationen arteten dort teilweise zu Krawallen aus, die Bühne eines Radiosenders, der live von der Eröffnung berichten wollte, wurde gestürmt, der Moderator vertrieben und Geräte zerstört, bevor die Polizei eingreifen und die Randalierer zurückdrängen konnte.

Auch in die Randzonen der Halle gelangte vereinzelt Demonstranten, malten auf die O2-Wand, vor der die Prominenten posierten und sich fotografieren ließen, ein demonstratives „No“, einer ließ auch seine Hose runter.

Die Stimmung bei den Sicherheitskräften innen war dadurch gereizt, sie versuchten zu unterbinden, dass nach draußen zu den Demonstranten fotografiert wurde. Nach 22 Uhr entspannte sich die Lage, während drinnen die Feier ihrem Höhepunkt zustrebte. Unter den Gästen waren die Botschafter Russlands und der USA, Parlamentspräsident Walter Momper, die Boxer Wladimir Klitschko und Axel Schulz und die Sängerin und Schauspielerin Jeanette Biedermann.

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