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Eine Königin nimmt sich Zeit: Um länger mit Jugendlichen in der Niederländischen Botschaft sprechen zu können, ignoriert Beatrix das auf die Minute geplante Besuchsprogramm - zumindest für eine halbe Stunde.

© dpa

Beatrix-Blog (1): Die niederländische Königin in Berlin

Königin Beatrix besucht Berlin und unser Holland-Experte Rolf Brockschmidt ist ständig auf Augenhöhe. Seine Beobachtungen fasst er Station für Station in seinem Beatrix-Blog zusammen.

10 Uhr 15 Flughafen Berlin-Tegel
Königin Beatrix landet auf dem militärischen Teil des Flughafens Berlin-Tegel zusammen mit ihrem Sohn Kronprinz Willem-Alexander und Kronprinzessin Máxima zu ihrem zweiten Staatsbesuch in Deutschland, der vier Tage dauern wird. Begleitet wird sie von Außenminister Uri Rosenthal und dem Minister für Wirtschaft, Landwirtschaft und Innovation, Maxime Verhagen. Der erste Staatsbesuch galt 1982 der alten Bundesrepublik zwei Jahre nach ihrer Krönung 1980. In Tegel wurden die königlichen Hoheiten von Kindern mit niederländischen Fähnchen empfangen.

11 Uhr Schloss Bellevue
Kurz vor elf Uhr ist die königliche Kolonne vor Schloss Bellevue vorgefahren. Bundespräsident Christian Wulff und seine Frau begrüßen die königlichen Gäste und präsentieren sich unter den Glockenschlägen der Schlossuhr pünktlich um elf Uhr den Fotografen. Anschließend tragen sich die Hoheiten in das Gästebuch von Schloss Bellevue ein.

Danach schreiten der Bundespräsident und die Königin nach den Nationalhymnen die Ehrenformation des Wachbataillons der Bundeswehr auf dem Schlosshof ab. Mit großem Jubel begrüßen Kinder der niederländischen Schule und deutsche Kinder, die Niederländisch lernen, die Königin, die manchmal wegen des heftigen Windes Sorge um ihren Hut haben musste. Aber sie nimmt es mit Humor. Die Kinder sind ganz begeistert und erzählen ihren Müttern später am Tor des Bundespräsidialamtes von ihren Erlebnissen. Kim, 11 Jahre alt, findet, die Königin hätte sehr schön ausgesehen und Máxima habe einen tollen orangefarbenen Hut getragen. Joris, ebenfalls elf, findet das militärische Zeremoniell cool.

12 Uhr 15 Bundeskanzleramt
Bundeskanzlerin Angela Merkel empfängt die Königlichen Hoheiten im Ehrenhof des Bundeskanzleramtes. Die Bundeskanzlerin und die Königin sprechen über die bilateralen Beziehungen und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Bei einem gemeinsamen Mittagessen im Kanzleramt sind unter anderem die beiden Botschafter sowie die beiden niederländischen Minister als auch Außen-Staatsminister Hoyer und Kanzleramtsminister Pofalla zugegen. Vom Balkon des Kanzleramtes aus erläutert Bundeskanzlerin Merkel den königlichen Gästen die neuen Bauten des Regierungsviertels.

14 Uhr 35 Neue Wache
Die königliche Limousine fährt Unter den Linden vor der Neuen Wache vor. Zwei Marinesoldaten tragen den Kranz mit den niederländischen Farben, Königin Beatrix wird von Generalleutnant Günter Weiler durch das Spalier einer Ehrenformation der Bundeswehr geleitet, gefolgt vom Kronprinzenpaar. Die Königin richtet die Schleifen des Kranzes, das Kronprinzenpaar hält Abstand. Alle schauen ernst. Nach dem Verlassen der Neuen Wache schaut das Kronprinzenpaar gelöster, sie lächeln den Menschen zu, die Unter den Linden zuschauen.

15 Uhr 05 Niederländische Botschaft
Mit zehn Minuten Verspätung trifft die Königliche Familie in der Botschaft ein, um im Prinz-Claus-Saal einer Diskussion Jugendlicher beider Länder mit Parlamentariern über Politik und Partizipation beizuwohnen. Die Jugendlichen hatten schon vorher angefangen, in kurzen Fragen die Abgeordneten zu löchern. Kurz und hart sollten die Fragen sein, ermunterte sie Moderator Bernd Müller vom Lenkungsausschuss der Deutsch-Niederländischen Konferenz, die 1995 als Mittel des Dialogs und der verbesserten Zusammenarbeit gegründet worden war. "Warum muss immer erst etwas passieren, damit etwas passiert?" wollte ein Mädchen wissen. "Und dann noch vor den Wahlen?" Er lebe selbst neben einem Zwischenlager, bekannte ein deutscher Abgeordnete, und das, was in Japan geschehen sei, sei vorher undenkbar gewesen. Aber jetzt müsse Politik auch reagieren können. Eine Niederländerin ärgert sich über die Streichung der Kultursubventionen, der Abgeordnete meinte, er finde es auch bescheuert, aber man müsse auch sparen.

Studienreform, Studiengebühren, Atomenergie, G8, G9, die Fragen kommen schnell, die Abgeordneten antworten routiniert. Dann trifft der Tross der Königin ein und kurze Zeit später kommen die Königlichen Hoheiten und Außenminister Rosenthal, und dann Bundespräsident Wulff.

Die Diskussion geht weiter. Wie soll man an Politik teilhaben? Der Ratschlag, in eine Partei einzutreten, ist den Jugendliche zu einfach. Vor allem die niederländischen Jugendlichen sorgen sich um die hohen Studiengebühren. Der Abgeordnete kontert. Als Akademiker verdiene man später auch mehr, dann könne man die Investition der Bürger zurückzahlen.

Im Fluge vergeht die eingeplante halbe Stunde und nachdem die letzten Töne des musikalischen Intermezzos der Kreuzberger Gruppe "Wie von einem anderen Stern" verklungen sind, steht die Königin auf. Doch sie geht nicht Richtung Ausgang -  man hatte schon etwas überzogen, sondern sie geht auf die Jugendlichen zu, stellt Fragen, posiert bereitwillig für Erinnerungsfotos mit ihnen. Kronprinz Willem-Alexander und Prinzessin Máxima machen es ihr nach und auch der Bundespräsident schließt sich an. Das Protokoll ist gesprengt, die königlichen Hoheiten nehmen die Gelegenheit wahr und suchen das Gespräch. "Geht ihr in die Politik?" will sie auf Deutsch wissen, doch einige Mädchen wollen lieber Medizin studieren. "Das hat bei meiner Nichte zwölf Jahre gedauert", antwortet die Königin, "das ist sehr lange." Kronprinz Willem-Alexander hatte zu Jugendlichen gesagt, die Antworten der Politiker seien die gleichen gewesen, die er früher zu hören bekommen habe. Und Prinzessin Máxima warnte angesichts hoher Studiengebühren vor einer hohen Verschuldung der Jugendlichen. 

Derweil posiert Bundespräsident Christian Wulff mit deutschen Schülern für ein Erinnerungsfoto und das Kronprinzenpaar sucht das Gespräch mit den Abgeordneten. "Ich fand die Diskussion viel zu kurz", sagte ein Mädchen, "aber es war ein Erlebnis. Ich hätte nie gedacht, dass die sich so viel Zeit für uns nehmen." Fatme Mallaamine, deren Eltern aus Libanon stammen, war ganz begeistert. "Die Königin hatte zu mir gesagt: Junge Dame, kommen Sie nach vorne zu mir, und dann haben wir Fotos gemacht." Das Protokoll muss gestöhnt haben, denn angesichts der sich anschließenden Wirtschaftskonferenz war nun der Zeitplan durcheinander. "Wunderbar", seufzte eine Dame aus der Umgebung der Königin. Diese bewegte sich auf vertrautem Terrain, hatte sie doch 2004 im Prinz-Claus-Saal die niederländische Botschaft eröffnet. Es schien, als könnte sie noch länger bleiben. Doch die Wirtschaftsführer warteten.

Bundespräsident Wulff lädt dann noch spontan die 20 Schüler für Mittwoch früh zu einem Besuch ins Schloss Bellevue ein. Doch die Deutschen müssen abends abreisen. Die Niederländer sollen erst um zehn abfahren. "Dann kommen Sie doch um neun", sagt der Bundespräsident zu dem Lehrer. Und zum Hauptbahnhof ist es nicht weit. Das war Politik zum Anfassen. "Das macht die königliche Familie immer so", sagt der ehemalige Abgeordnete Bart van Winsen. "Wenn wir mit der königlichen Familie auf Schloss Noordeinde reden, gibt es einen offiziellen Teil, und sowie der abgelaufen ist, schwärmen sie aus, um möglichst viele Menschen zu sprechen. Wunderbar." Die Jugendlichen werden es nicht vergessen. 

16 Uhr 45 Hotel Adlon
Im Hotel Adlon nimmt die königliche Familie an einer deutsch-niederländischen Wirtschaftskonferenz mit Unternehmern teil. Mit dabei sind der niederländische Außenminister Uri Rosenthal, Wirtschaftsminister Maxime Verhagen und sein deutscher Kollege Rainer Brüderle sowie Vertreter des BDI und des Niederländischen Arbeitgeberverbandes. 

20 Uhr Schloss Bellevue
Höhepunkt des Staatsbesuchs ist das Staatsbankett im Schloss Bellevue auf Einladung des Bundespräsidenten.

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