zum Hauptinhalt
323809_0_9931b0ae.jpg

© dpa

Berlin-Andenken: Berlin to go

An einem Geschenkautomat im Hauptbahnhof können sich Touristen jetzt Design-Artikel aus Berlin ziehen. Der Prototyp wurde am Mittwoch eingeweiht. Das Ding hat einen Touchscreen - und Rollen.

Mehr als hundert Schaulustige und internationale Medienvertreter erwarten den Moment der Enthüllung mit großer Ernsthaftigkeit. Eine gelborangefarbene, semitransparente Gardine verrät, dass hier, im nördlichen Bereich des Hauptbahnhofs, etwas Großes entstanden ist, etwas Flimmerndes. Es ist der Berlinomat.

Da steckt Berlin drin, und deshalb zieht der Regierende Bürgermeister selbst an der Gardine, um den weltweit ersten Designgeschenkverkaufsautomaten auf Rollen der Öffentlichkeit zu präsentieren. Es geht um Kreativität, um Arbeitsplätze, um eine „tolle Idee“, sagt Klaus Wowereit. Der Berlinomat soll als Marke erst Berlin und dann die Welt erobern. Deshalb die ausfahrbaren Rollen.

Im neuen Automaten gibt es teils ungewöhnliche Dinge zu kaufen, einen nasenförmigen Brillenhalter, eine Geldbörse aus Motorradschlauch (gefahren in Berlin), Buchstabenknöpfe, mit denen sich der eigene Name auf die Jacke nähen lässt, einen Taschengeldhalter und einen professionellen Sattelregenschutz in Pink oder Hellblau. Die Überzüge könnten die hässlichen Plastiktüten aus dem Stadtbild verbannen, wenn sie nicht den Langfingern in die Hände fallen.

Klaus Wowereit zieht sich den „Nautiloop“ für 17,90 Euro aus dem orangen Automaten, dessen Front-Design der Be-Berlin-Kampagne entlehnt ist. Der Nautiloop ist eine Kunststofftasche, die sich mit einer Kurbel platzsparend einrollen lässt. Nur klappt das mit dem Einrollen nicht ganz störungsfrei. Wowereit versucht es geduldig immer wieder, es fehlt ihm heute etwas an Lockerheit.

Berlinomat-Chef Jörg Wichmann hat sich den Karo-Schal für 29,90 Euro umgeschlungen und erinnert an den chinesischen Erfinder Ju Chon, der 937 vor Christus den Schreibpinselautomaten entwickelte, nicht ahnend, dass fast 3000 Jahre später Automaten immer noch als innovativ gepriesen werden. Zu Recht, schließlich lässt sich der Berlinomat wie ein Smarthandy steuern, Touchscreen inklusive, und dem Kunden drängt sich das Gefühl auf, im Internet einzukaufen. Dahinter steckt Kalkül. „Mit dem Automaten bringen wir den Online-Handel zurück auf die Straße“, sagt Wichmann. Daran hatte bisher noch niemand gedacht.

In vier Wochen soll der zweite Berlinomat auf dem Flughafen Schönefeld aufgestellt werden, ein dritter ist für das Kaufhaus Lafayette reserviert. Acht Monate lang muss sich die Verkaufsmaschine bewähren. Dann wird entschieden, ob der Berlinomat ein Exportschlager werden kann. „Wir brauchen täglich 10 bis 20 Kunden“, sagt Wichmann.

Hergestellt wird der Berlinomat von einer italienischen Firma für Spezialautomaten. Die hat auch ein Gerät zur Vermarktung von Edelmetall entwickelt, Kurzname: Gold-to-go.

Nur noch eine Frage der Zeit, bis solch ein Automat auch in Berlin steht. Die Stadt ist schließlich bekannt für ihre Spiel-, Fritten- und Wiegeautomaten. Erfolgreich ist auch das Konzept, Kunst und Literatur per Knopfdruck an den Liebhaber zu bringen. Lyrik, Prosa oder bildende Kunst – alles zum Einheitspreis von 2 Euro. Die Geräte, ausgemusterte Zigaretten- oder Kondomautomaten, hängen inzwischen schon in Hamburg, Köln und Greifswald.

Berlinomat als Vertriebs-Marke wurde schon vor sieben Jahren gegründet, um die vielen vor sich hinarbeitenden Berliner Designer zu vernetzen und ihre Produkte bekannter zu machen. Ein großer Verkaufsladen entstand in der Frankfurter Allee, ein Online-Shop (www.berlinomat.com) wurde aufgebaut, und eine Filiale im Kaufhaus Lafayette. Die hatte im Sommer aber wieder dichtgemacht. Das Sortiment im Berlinomat-Shop ließ sich nicht immer passgenau an die Produktpalette im Kaufhaus anpassen, sagt Wichmann. Mit dem Automaten soll das anders werden. Der kann den Standort wechseln, wenn die Kunden nicht zu ihm finden. Wegen der Rollen. Thomas Loy

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false