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Berliner Philharmoniker

© Andreas Knapp

Berliner Philharmoniker: Das fliegende Klassikzimmer

150 Personen, 125 Kubikmeter Gepäck: die Philharmoniker gehen auf Reisen. Ihr Ziel heißt New York - und das klingt einfacher als es ist. Denn die Tournee bedeutet auch einen enormen logistischen Aufwand und viele Monate Vorbereitung.

Orchestertourneen stellen sich die meisten Klassikfans als etwas Großartiges vor: Wenn sie lesen, dass die Berliner Philharmoniker in dieser Spielzeit nach New York, Boston, Paris, Wien, Salzburg, Luzern oder Aix-en-Provence reisen, steigen Bilder dieser Traumziele vor ihrem inneren Auge auf, sehen sie entspannte Musiker durch die Kulturmetropolen flanieren. In Wahrheit aber sind Gastspielreisen Knochenarbeit, für die Künstler ebenso wie für die Menschen, die sie organisieren.

„In Chicago beispielsweise wurden die Philharmoniker mit der Zeitungs-Schlagzeile begrüßt: Who is the best orchestra in the world?“, erzählt Kai Schmidt, der Abteilungsleiter „Künstlerische Produktion“ bei den Berlinern. „Da lastet natürlich ein enormer Druck auf dem Ensemble, trotz Jetlag abends im Konzert wirklich Spitzenleistungen zu bringen.“ Denn es ist ja schließlich klar, wer das beste Orchester der Welt ist.

Seinen Profis den Rücken frei zu halten, sieht Schmidt deshalb auch als vornehmste Pflicht an. Zusammen mit Andreas Pernau und dessen Team vom Lufthansa City Center Reisebüro am Roseneck versucht er, bei Touren den Musikern so viel Stress wie möglich zu ersparen. Sobald Chefdirigent Simon Rattle, der Orchestervorstand und die Intendantin Pamela Rosenberg die Auftrittsorte festgelegt haben, beginnen Schmidt und Pernau mit der Vorbereitung, manchmal zwei Jahre im Voraus. Ein Knackpunkt dabei ist immer der Transport: Nicht nur, dass riesige Gepäckmengen bewegt werden müssen, die Fracht ist auch enorm wertvoll. Und zerbrechlich. Manche Geigen der Berliner sind glatt so viel wert wie ein Einfamilienhaus. Kein Wunder, dass auf allen Tourneen stets ein Vertreter des Versicherungsunternehmens dabei ist.

Um die kunstvolle Verpackung der edlen Fracht kümmert sich Kai Schmidt persönlich: „Weil alle Instrumentenkoffer unterschiedliche Formen haben, gleicht die Beladung einer Transportpalette jedes Mal einem 3-D-Puzzle.“ Danach kommen sie unter Folie und verschwinden im Bauch des Flugzeugs.

Das wird meistens exklusiv für die Philharmoniker gechartert: „Da wir immer mindestens 145 Personen sind und bis zu 125 Kubikmeter Gepäck haben, rechnet sich das durchaus“, erklärt Andreas Pernau. Den deutschen Steuerzahler kostet das übrigens keinen Cent – dafür müssen die Ticketkäufer in den Gastspielorten umso tiefer in die Tasche greifen.

Größter Frachtplatzfresser neben den Instrumenten sind die Frackkisten, riesige Ungetüme, die an jene Schrankkoffer erinnern, die Millionäre einst auf Ozeandampfern mit sich führten. Jeweils zwei Musiker teilen sich eine Frackkiste, in der neben ihrer Konzertkleidung von der Fliege über den Kummerbund bis zu den Lackschuhen auch so manches Mitbringsel Platz findet. Sehr zum Leidwesen von Kai Schmidt: Er muss die Ladung vor der Weiterreise jedes Mal neu durch den Zoll bringen. Wenn ihm also ein Musiker in Shanghai erzählt, er habe sich ja einen Buddha gekauft, wird Schmidt ein bisschen mulmig. Und natürlich steuert der Beamte bei der Stichprobenkontrolle auf dem Flughafen dann auf jene Kiste zu, in der sich die Statue befindet.

Erhöhte Herzfrequenz erzeugte bei dem sonst so gelassenen Norddeutschen auch die Durchleuchtung einer Kiste, als auf dem Bildschirm eine Konstruktion mit verdächtigen Schläuchen zu sehen war: Keine Bombe, wie sich zur allgemeinen Erleichterung herausstellte, sondern ein Abpumpgerät für Muttermilch. Ein anderer „blinder Passagier“ wurde dagegen erst nach der Rückkehr entdeckt, als den Musikern aus der Frackkiste beim Öffnen ein beißender Geruch entgegenschlug: Aus dem zum Schnäppchenpreis ergatterten Mittel zur Öltankreinigung war ein teurer Spaß geworden.

Knackpunkt Nummer zwei bei jeder Reise ist die Unterbringung der Musiker: Viele Monate im Voraus testet Andreas Pernau die Hotels vor Ort und beginnt um den Preis zu feilschen. Ein Job für Pokerface-Spezialisten. „Bei diesem Orchester geht es aber nie um Luxus“, betont der Reisemanager. „Viel wichtiger ist den Musikern, dass sie vor den Konzerten in den Zimmern auch üben dürfen und hinterher ruhig schlafen können.“ Natürlich gibt es auch bei den Berliner Philharmonikern notorische Nörgler und Sonderwunschkandidaten, die Kai Schmidts Nerven schon mal über Gebühr strapazieren: „Wenn die Musiker aber abends im Konzert wieder so hinreißend spielen, weiß man, warum man sich das alles antut.“

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