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© ddp

Berliner Presseball: Tanz der Maskottchen

1500 Gäste kamen zum Presseball – darunter Ampelmann und Bär. Sie standen fürs Motto: „Typisch Berlin“.

Typisch für Berlin sind sie alle: der Kerl im Bärenkostüm, das Spindeltaillen-Model im Lederrock mit aufgedrucktem Brandenburger Tor, der Punk, der grüne Ampelmann und vor allem der Berliner Presseball selbst. Zum 111. Mal seit 1872 wurde er am Samstagabend im Maritim-Hotel in der Tiergartener Stauffenbergstraße mit den genannten Maskottchen gefeiert. Knapp 1500 Gäste kamen, ungefähr so viele wie im letzten Jahr, versammelten sich im eleganten Ambiente des ganz in Weiß und Gold geschmückten Festsaals. Doch hatten die Organisatoren auch das Praktische nicht vergessen: Zum Schuhewechseln standen an der Garderobe Stühle in gehöriger Zahl samt Schuhanziehern bereit.

Kinder und Erwachsene aus der Friedenauer Tanzschule Dieter Keller eröffneten den Ball mit einer Fächerpolonäse, mit dem Feodorawalzer, dann dem Walzer „Das liegt bei uns im Blut“. Dem Kaiserwalzer ließ das Salon Orchester Berlin ganz rasch den Sportpalast-Walzer folgen, um dem roten Faden des Abends gerecht zu werden.

„Typisch Berlin!“ war das Motto zum Schnapszahl-Jubiläum. Gastgeber waren erneut Fernsehproduzent Andreas Dorfmann und seine Partnerin Marina Schill. Sie hatten die Marke vor drei Jahren vom Deutschen Journalistenverband Berlin gekauft, der mit dem Ball tief in die roten Zahlen geraten war. Dass er sich jetzt offenbar trägt, mag nicht so typisch fürs arme Berlin sein. Immerhin zeigen die Veranstalter Bodenständigkeit, indem sie auf prestigeträchtige Künstlerauftritte ebenso verzichten wie auf die Anwesenheit nicht zahlender Glitzer-Prominenz: „Für uns sind alle Gäste Ehrengäste.“

Gekommen waren der Präsident des Abgeordnetenhauses Walter Momper wie auch der frühere Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen. „,Typisch Berlin’, das ist doch die intelligente Umsetzung des Mottos der Senatskampagne ,Be Berlin’“, befand Momper, während seine Frau Anne, wie andere Gäste auch, kritisch eine Pyramide aus Prosecco-Dosen beäugte. Das Hip-Getränk der Clubs wirkte hier etwas polarisierend.

Zu den Stars des Abends gehörte unzweifelhaft Boxer Arthur Abraham. Die Damen standen Schlange, um sich mit ihm fotografieren zu lassen. Für Abraham sind vor allem das Brandenburger Tor und eben der Presseball typisch Berlin. Und er lobte auch den Schnee, den er hier vorfand: „Wenn es schneit, soll es richtig schneien.“ Auch Patrick Graf von Faber-Castell feierte mit, samt Ehefrau Mariella Ahrens, deren Verein Lebensabend sich um die Bedürfnisse von Menschen in Pflegeheimen kümmert. Für sie hatte Daniel Rodan ein rotes Abendkleid aus Leder entworfen. Mariella Gräfin von Faber-Castell wuchs im Ostteil der Stadt auf, war beim Mauerfall 20 Jahre alt. So ist es nicht verwunderlich, was für sie typisch Berlin ist: „Der Dialekt.“

Und dann war da noch der Club der SKL-Millionäre. Zehn Gewinner aus der Fünf-Millionen-Show mit Günther Jauch waren von der SKL zum Presseball geladen worden, damit sie sich über ihre Geschichten austauschen konnten. Millionäre sind zwar nicht gerade typisch für Berlin, aber immer willkommen.

Die Köche des Hotels hatten sich nicht nur auf offensichtliche berlinisch-preußische Schlemmereien wie kleine Schusterjungen mit Griebenschmalz und Kalbsfrikadelle mit Spreewaldgurken beschränkt. Die Büfett-Stände waren nach verschiedenen Berliner Bezirken benannt. Für Mitte war ein Hugenotten-Gericht vorbereitet. In Kreuzberg gab es Lammrücken mit Couscous und gefüllter Pide, in Köpenick Kassler mit Sauerkraut und in Prenzlauer Berg die Nachwende-Spezialität „Sushi Selection“.

Typisch für Berlin ist definitiv, dass man an allem immer rummeckert, natürlich auch am Presseball. Evi und Josef Joraschek meckern nicht und sind doch irgendwie typisch. Sie sind beide 89 Jahre alt, feiern gern und sind begeisterte Tänzer, oft die letzten auf dem Parkett. In den vergangenen 20 Jahren, seit Josef Joraschek in den Ruhestand ging, haben sie rund 200 Bälle besucht, trainieren außerdem in Zehlendorf Tanzpaare. Jeder Ball bringt schöne Erinnerungen an die Zeit, als Architekt Joraschek in aller Welt tätig war: „Wir haben in Oman getanzt, in Afghanistan, in Sri Lanka, fast überall.“ Und natürlich auf dem Presseball. Wegen des Schnees zu Hause zu bleiben, kam für die beiden nicht in Frage: „Wir sind doch unverwüstlich.“ Und das ist vielleicht besonders typisch für Berlin: sich nie unterkriegen zu lassen. Elisabeth Binder

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