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So isser nun mal. Immer, wenn sich Hartmut Guy seinen Gästen nähert, wird der charismatische Gastgeber auch ein wenig zum Zirkusdirektor. Doch der Mann kann viel mehr als nur plaudern.

© picture-alliance/ dpa

Buchvorstellung: Gastronomie-Geschichten aus erster Hand

Der gelernte Schauspieler und Kabarettist Hartmut Guy ist seit der Wende Wirt am Gendarmenmarkt. Jetzt hat er ein Buch mit Geschichten aus der Gastronomie geschrieben, das er am Montagabend bei Dussmann vorstellte.

Auch der beste Geschichtenerzähler scheitert, wenn er nichts zum Erzählen erlebt. Hartmut Guy muss sich in dieser Hinsicht keine Sorgen machen, denn er lebt sein Leben immer auf Kante, hoch über dem Abgrund. Der gelernte Schauspieler und Kabarettist, der nach der Wende zum Gastwirt wurde, hat also allerhand zu berichten. Sein erstes Buch, das er am Montagabend bei Dussmann in der Friedrichstraße vorstellte, beginnt mit dem verzweifelten Versuch, im Gästeansturm hart gefrorenes Schweinefleisch mit der Eisensäge zu zerlegen, und endet mit einem durchaus pessimistischen Ausblick in die Zukunft seines Restaurants am Gendarmenmarkt.

Dazwischen: Hui. Guy ist grenzenlos eitel und gnadenlos lustig, erzählt mit einer geradezu exhibitionistischen Selbstironie, immer voll auf Adrenalin. Obwohl er als Potsdamer meist in die Ossi-Ecke gesteckt wird und viele alte Freunde aus der Künstlerszene der DDR hat, ist es ihm gelungen, die imaginäre Mauer zu überspringen; Walter Momper, sein Trauzeuge, hat ein Vorwort beigesteuert, und das Restaurant konnte sich als Treffpunkt internationaler Prominenter einen gewissen Ruf erwerben. Einige davon, Tom Hanks, Peter Ustinov, Siggi Jähn und ein fast echter Pavarotti, beleben das Buch, Udo Jürgens gibt ein Ständchen in der Küche, Gerhard Schröder wird von einem verdutzten Gast vor der Klotür mit Caipirinha bekleckert, es geistern reichlich Großkotze, Hochstapler und Secret-Service-Agentinnen durch die Kulissen.

Hartmut Guy, heute 54, hat seine seltsame Karriere kurz nach der Wende als Wirt in einem gottverlassenen Barnimer Dorf namens Freudenberg gestartet. Dort übernahm er zusammen mit seiner damaligen Frau und dem Mut der Verzweiflung eine Kneipe, die, als sie endlich ein wenig etabliert war, niederbrannte. Der Grund, echt Guy: Ein Marder hatte ein Kabel im Dachstuhl zerbissen. Dann geriet alles ins Rutschen, Wiederaufbau, Scheitern der Ehe, Wechsel an den Gendarmenmarkt, Gründung und Schließung des Neben-Restaurants „Wein-Guy“ in der Luisenstraße. Ein Partner, der das Geld gegeben hatte, stieg alsbald aus, Guy machte weiter, immer mit Volldampf.

Wohin das führte, zeigt ein Kapitel, in dem er einen Tiefpunkt beschreibt: Sauferei mit einem Branchenkollegen, Heimfahrt per Auto, Polizei, Führerschein weg, 2,47 Promille – ein Wert, der ohne jahrelanges Vorglühen praktisch unerreichbar ist. Aber Guy zieht auch die Konsequenzen, streicht den Alkohol aus seinem Leben, beginnt zu radeln, magert auf 61 Kilo ab, läuft den Berlin-Marathon unter vier Stunden und bekommt sogar den Führerschein zurück, eine Energieleistung, die nicht vielen in dieser Situation gelungen wäre.

Die irrste Geschichte des Buchs handelt davon, dass eine Brigade von Sicherheitsleuten das Restaurant belagert, um die damalige amerikanische Außenministerin Madeleine Albright beim Essen zu bewachen. Guy schleust einen nichts ahnenden Freund ein, und dem fällt beim Anblick der kleinen Armee ein, dass er eine Gaspistole in der Tasche hat . . .

Mehr noch als Außenminister fürchtet er Restaurantkritiker, die sich in seinem Betrieb offenbar nur in der denkbar korruptesten Version einfinden, er fabuliert ein Märchen mit einem fiktiven, Sterne vergebenden Jüngling namens „Heinzelmann“ und verfällt angesichts dieser Bedrohung sogar ins Dichten, „heute will er sich am Weine laben / morgen in Champagner baden“.

Am Ende geht es um die Krise: Umsatz halbiert. „Das nahm solche Ausmaße an, dass ich stündlich zur Tür lief, um nachzuschauen, ob sie nicht versehentlich zugeschlossen wurde“, schreibt Guy. Seither sei die Ehe mit dem Vermieter, einem großen Immobilienfonds, „im Anfangsstadium der Zerrüttung“. Das Ende bleibt vorerst offen – und Hartmut Guys Leben bis auf Weiteres riskant.

Guygantisches Gourmet-Theater, Verlag Gebr. Mai, 192 S., 14,95 Euro

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