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Burleske Show: O frivol ist mir am Abend

Im Wintergarten feierte die burleske Show „Black Flamingo“ Premiere. Bernd Matthies hat sie sich für den Tagesspiegel angesehen.

Unter den vielen „Wenn Wirtschaftskrise, dann…“-Weisheiten ist diese hier die aktuellste: Wenn es der Wirtschaft schlecht geht, werden die Damendessous verspielter. Folglich gehören Plüsch und Troddel in allen Schlafzimmerfarben zum Konzept der Burlesque-Mode, die soeben durch die Welt rauscht: Striptease in netter Form, geeignet für die ganze Familie. Der Berliner Veranstaltungsmogul Peter Schwenkow sieht darin sogar eine Chance, den „Wintergarten“ zeitweise wiederzubeleben – und beglückt nun die Gäste mit der nostalgischen Golden-Twenties-Show „Black Flamingo“, die das Thema mit den branchenüblichen Zutaten wie Akrobatik, Comedy und Musik zur dreistündigen Mischung aufbereitet. Am Freitag war Premiere, sie wurde von einer freundschaftlich gesinnten Zuhörerschaft mit Fraktionskollegen des CDU-Abgeordneten Schwenkow gut aufgenommen.

Die Show, von Ralph Sun inszeniert, versucht ihr Glück in kreischbunter Hysterie. Miss Evi führt mit ihrem heftig auf den Steinway einschlagenden Partner „Das Tier“ ziemlich anstrengend und mit zu vielen rollenden „R“ durchs Programm. Burlesque, nun ja, das wird hier sicher in eleganter und durchaus exemplarischer Form vorgeführt, nur ist das Repertoire doch arg begrenzt, und spätestens bei der dritten oder vierten Darstellerin, die sich aus komplizierten Klamotten befreit, um die auf den Brustwarzen aufgeklebten Troddeln neckisch kreisen zu lassen, tritt ein gefährlicher Hauch von Langeweile auf – der erotischste Moment bestand darin, dass eine dieser Troddeln abzufallen drohte. Heiß sollte das alles sein, sehr heiß, wie Miss Evi eins ums andere Mal befahl, aber es blieb ungefähr so schwül und abgründig wie eine CDU-Fraktionssitzung. Das Grundproblem liegt wohl darin, dass alles, was vor knapp einem Jahrhundert noch brodelnd und gewagt war, in der sexuell aufgeheizten Gegenwart so aufregend wirkt wie eine Sepia-Fotografie aus Urgroßvaters Puff.

Am Ende steigern sich Shelly Kastner und Jason McPherson, „Strange Comedy“ aus Kanada, zu einer furiosen unerotischen Nummer, das ist endlich lustig, und die Herren „Strahlemann & Söhne“ jonglieren und strippen gleichzeitig in Höchstgeschwindigkeit, na bitte, es geht doch. Darin wäre die Zukunft des „Wintergartens“ zu suchen. An der richtigen Wiedereröffnung im nächsten Jahr wird gearbeitet. Bernd Matthies

Wintergarten, Potsdamer Str. 96 in Tiergarten, Mo-Fr 20, Sa 19.30/23.30, So 18 Uhr, Karten 35/47/58 Euro, www.deag.de, Tel. 01805 4470

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