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© promo

Friedrichstadtpalast: Der Qi-Faktor

Schwarze Zahlen, Rekordumsätze, große Pläne: Wie Intendant Berndt Schmidt dem Friedrichstadtpalast Erfolg brachte

Eigentlich war es mehr eine leise Andeutung als eine direkte Bitte. Doch Berndt Schmidt reagiert sofort. Natürlich könne der Tagesspiegel auch mit dem Personal des Hauses sprechen. „Warum nicht jetzt gleich?“, fragt der Intendant des Friedrichstadtpalasts und steht von seiner Bürocouch auf. Nur zwei Minuten später sitzt man vor dem Schreibtisch von Ines Kubiak, Leiterin der Theaterkasse und seit über 22 Jahren Mitarbeiterin des Revuetheaters. Mit einem leisen Klack geht die Tür im Rücken zu: Schmidt ist diskret hinausgegangen, damit Kubiak ohne Scheu sprechen kann.

Das wäre kaum nötig gewesen, denn die 44-jährige Lichtenbergerin ist voll des Lobes für ihren neuen Chef, der seit rund zwei Jahren die Geschicke des Hauses lenkt und 2009 mit 17,25 Millionen Euro den besten Ticketumsatz aller Zeiten erreicht hat. Damit wird Berndt Schmidt das Haus voraussichtlich ein Jahr schneller aus dem Minusbereich herauskatapultieren, als er selbst noch vor zwölf Monaten geglaubt hat: Zum Jahresabschluss im März rechnet der Intendant nun mit einem Plus von 600 000 Euro – im Jahr zuvor waren es noch minus 3,3 Millionen. Eine Überraschung nicht nur für manche Kritiker, die für die „piefige Betonkiste“ an der Friedrichstraße in der Vergangenheit nur wenig gute und noch weniger optimistische Worte übrighatten, sondern auch für Schmidts 249 Mitarbeiter. „Diesen unerwartet schnellen Erfolg haben wir allein Berndt zu verdanken“, sagt Kubiak, die das „du“, das der 46-Jährige allen Mitarbeitern bei seinem Eintritt angeboten hatte, gern angenommen hat.

Kubiak hat schon viele Intendanten kommen und gehen sehen. Neben Wolfgang Struck zu DDR-Zeiten und Alexander Iljinski in den Neunzigern ist ihr Schmidt bereits jetzt der liebste. „Mit Berndt kann man immer reden. Und das Wichtigste: Er hört zu. Als erstes hat er das Publikum und uns Mitarbeiter gefragt, was es zu ändern, was es zu verbessern gibt“, sagt sie. Dass Schmidt es in so kurzer Zeit geschafft habe, eine aufwendige Show wie die aktuelle Erfolgsrevue „Qi“ auf die Beine zu stellen, zeige, wie groß seine Begabung für dieses Geschäft und für den Umgang mit Menschen sei.

Berndt Schmidt bezeichnet seine Zeit im Friedrichstadtpalast als die beruflich glücklichste seines Lebens. Nun kann der promovierte Wirtschaftswissenschaftler, der zuletzt Regionalgeschäftsführer für Stage-Entertainment in Stuttgart war, eigenverantwortlich Entscheidungen treffen. Die Gründe für seinen raschen Erfolg vermutet er selbst in der Fähigkeit, Menschen richtig einschätzen und das Potenzial seiner Mitarbeiter erkennen zu können. Ballettdirektorin Alexandra Georgieva bestätigt das: Seit 23 Jahren ist die 43-Jährige am Haus. Viele Jahre war sie Tänzerin, bis Schmidt sie erst zur stellvertretenden, dann zur kommissarischen und zwei Tage nach der Premiere von „Qi“ zur leitenden Ballettdirektorin machte. „Jede Entscheidung hat er damit begründet, dass er mich lange beobachtet habe und daher glaube, dass ich das Zeug zu dem Job hätte“, erzählt Georgieva und fügt hinzu: „Wir sind alle ziemlich glücklich, dass er hier ist.“ Das gilt auch für Kreativdirektor Jürgen Nass. Der 63-jährige Treptower ist bereits seit 25 Jahren am Haus, fast alle Revuen musste er zusammen mit seinem Stellvertreter Roland Welke „unter verdeckten Auflagen“ entwickeln, wie er erzählt. „Mit Berndt haben wir so viele künstlerische Freiheiten wie noch nie“, sagt Nass.

Nicht alle können das gegenwärtige Palast-Glück teilen: 50 Mitarbeiter musste Schmidt entlassen, in Frührente oder Altersteilzeit schicken. Der Intendant glaubt, dass das Schlimmste nun überstanden sei und man 2011 anfangen könne, das bei der Stadt aufgenommene Darlehen von 3,5 Millionen zurückzuzahlen. „Die Phase der Existenzsicherung haben wir hoffentlich bald hinter uns“, sagt Schmidt. Das nächste Ziel sei es, die eigenen Shows zum Pflichtprogramm für jeden Berlin- und Deutschlandbesucher zu machen. „Unser Publikum soll denken: Was ich hier sehe, sehe ich sonst nur in Las Vegas.“ Auf der größten Theaterbühne der Welt möchte er Modernes neben Klassischem, Ruhiges neben Wildem präsentieren und damit Besucher zwischen 20 und 75 Jahren ansprechen. Das gilt auch für die neue Show „Yma“, die im September in Kostümen von Designer Michael Michalsky uraufgeführt wird. Sie soll noch erotischer und – zum Teil von Clubsounds begleitet – noch moderner als „Qi“ werden und trägt den Untertitel „Zu schön, um wahr zu sein“. Erstmal verwandelt sich der Palast aber in ein Kino: Wie im Vorjahr wird das Gebäude zur Berlinale-Spielstätte. Eva Kalwa

Die aktuelle Show „Winterträume“ läuft noch bis Sonntag. Infos unter www.friedrichstadtpalast.de.

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