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Stadtleben: Der Rüpel wird erwachsen

Graciano Rocchigiani war bislang immer für Sport- wie Polizeimeldungen gut Nun will der Ex-Profiboxer in seiner Biographie manches richtig stellen

Schon eine tolle Idee, Graciano Rocchigiani ausgerechnet hier auftreten zu lassen. Man soll ja Heimatgefühle fördern. Gut also, dass die Wände aus nackten, grauen Beton bestehen, dass es kein Fenster gibt, dass der Pressekonferenzraum der Schmeling-Halle die prickelnde Atmosphäre eines Luftschutzkellers besitzt. Da muss sich Rocchigiani nicht groß auf eine neue Umgebung einstellen. Grau, das kennt er. Vor 17 Tagen noch übernachtete er im Knast. Körperverletzung und Trunkenheit am Steuer, machte zehn Monate Haft.

Den Hauptdarsteller stört die Umgebung nicht. Graciano Rocchigiani, Ex- Profiboxer, Ex-Weltmeister, mehrfacher Knacki, jahrzehntelang wohnhaft in Berlin, sitzt auf einem Podium, mit schwarzem Hemd und schwarzem Jackett und sagt viel lieber, „dass er Zeichen gegen Vorurteile setzen will“. Deshalb hat er eine Autobiographie schreiben lassen. Sie heißt „Rocky - Meine 15 Runden“ und zeichnet das Leben eines Mannes, der die rauen Regeln der Straße verinnerlichte und die Wandlung des Profiboxens zum gesellschaftlichen Ereignis beklagt und zugleich von diesem Zirkus mit riesigen Gagen profitierte. Nur wird nicht ganz klar, gegen welche Vorurteile er ankämpft, Rocchigiani hat in seiner Vergangenheit nahezu alle Vorurteile bestätigt, die man bei ihm hatte.

Aber jetzt ist er 43, wirkt ruhiger als früher, und wenn er redet, klingt das nicht mehr wie das Knurren eines Tigers, der gleich losbrüllen wird. Früher ließ Rocchigiani Pressekonferenzen platzen, jetzt beantwortet er ruhig und, für seine Verhältnisse, höflich, jede Frage. Und sein Name zieht immer noch, auch wenn er 2003 zum letzten Mal gekämpft hatte. Der Presseraum ist voll, der TV-Sender N 24 überträgt sogar live. Vielleicht hofften die Fernsehleute auf eine Rüpelnummer, aber die bietet Rocchigiani nicht mehr. Der 43-Jährige lebt inzwischen in Duisburg, er trainiert Box-Talente, er hat mehr Verantwortung. Das prägt.

Vor allem aber prägt wohl die Zeit im Gefängnis. „Die Erfahrungen vor Gericht und im Knast, die hätte ich mir sparen können“, sagt er. Aber, bitte, soll bloß keiner denken, dass er jetzt sein ganzes Leben in Frage stellt. Er hat einen Hausmeister in Wien mit einer rechten Geraden zum Schweigen gebracht, weil der seinen Hund beleidigte, und fuhr mit zwei Promille in einen Straßengraben, solche Sachen, aber was ist das schon? „Das sind Fehler. Aber richtig schämen muss ich mich für nichts.“

Rocchigiani hat sogar einen Draht zur Ironie. Für Werbeplakate ließ er sich in Stäflingskleidung fotografieren, eine Schreibmaschine auf den Knieen. Oder in Richterrobe. Die Plakate hängen jetzt hinter ihm an der Wand. „In der Knastkleidung“, sagt Rocchigiani, „habe ich mich am wohlsten gefühlt.“

Ob er pleite ist, weiß niemand, er sagt’s nicht, aber er wird auf jeden Fall wieder kämpfen. Am 24. Mai 2008 trifft er auf seinen alten Rivalen Dariusz Michalczewski, 39, Kampfname „Tiger“. Rocchigiani boxt, weil er viel Geld bekommt, „das ist der Hauptgrund“. Rocky gegen „Tiger“, das ist nicht anderes als „Oldieboxen“ (Rocchigiani). Aber die üblichen Rollenspiele vor einem Fight, die beherrschen sie immer noch. Michalczewski bezeichnete Rocchigiani als „Arschloch“, also keilt der 43-Jährige im Halbstarkenjargon zurück: „Ich werde ihm eine Tracht Prügel verpassen.“

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