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© Thilo Rückeis

Espiners Berlin: Bockwurst als Pflichtmittagessen

Manch deutscher Politiker hätte gern, dass wir alle deutsch sprechen. Sind damit eigentlich nur die Türken oder auch wir Engländer gemeint? Und ist ihnen eigentlich klar, wie schwer das ist?

Wir alle sollten deutsch sprechen. Natürlich tun das auch die meisten von Ihnen, vor allem wenn Sie hier die deutsche Version lesen, wunderbar übersetzt aus dem Englischen, in dem ich sie geschrieben habe. Und während Sie das tun, vergebe ich Ihnen auch den Gedanken, dass ich auch deutsch spreche. Aber ich tue es nicht. Ich versuche es, aber haben Sie eigentlich schon einmal realisiert, wie schwer das eigentlich ist? Sie haben ja sogar drei verschiedene Wörter für „the“. Und trotz des Intensivkurses am Goethe-Institut, den ich vor fast einem Jahr besuchte - dieser selbst war voll von seinem eigenen Sturm und Drang, geschürt von einem Babel-ähnlichem Klassenzimmer aus tschechischen, chilenischen, kolumbianischen und koreanischen Studenten, die alle versuchten irgendwie Sinn zu machen – und seiner Lehrerin, der herrlich exzentrischen Ex-DDR Auswanderin nach Damaskus, bin ich immer noch am straucheln.

Aber wir sollten alle deutsch sprechen, nicht wahr? Ein paar Politiker denken definitiv so. Ich las diese Woche (natürlich in Englisch) dass Christian Lindner, Generalsekretär der FDP, sich vorstellt, dass alle Schulkinder sogar im Pausenhof deutsch sprechen sollen. Ich denke, seine Kommentare sind an die türkische Gemeinschaft gerichtet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er oder andere sich beschweren würden, wenn die Kinder auf Englisch in ihren Mittagspausen reden würden. In der Tat gibt es ganze Schulen in Berlin, die diese Bilingualität fördern wollen. Und nun mischt sich auch noch Angela Merkel in die Sprachdebatte ein.

Ich dachte immer, dass es gut ist, englisch sprechen zu können. Da es so viele Menschen verstehen, konnte ich mich immer verständlich machen. Aber langsam fängt es an, frustrierend zu werden. Immer wenn ich versuche deutsch zu reden, antworten mir die Leute auf Englisch. So wird Englisch eigentlich zu einer Hürde davor, mit Ihrer Sprache klar zu kommen. Wenn ich nun türkisch wäre und versuchen würde, deutsch zu sprechen, kann ich mir nicht vorstellen, dass der hilfsbereite Ladenbesitzer mir in meiner Muttersprache mit einem „Bir güzel gün var“ antworten würde. Es gibt hier also so etwas wie eine Sprachen-Hierarchie. Englisch okay, Türkisch nicht ganz so okay.

Ist das nicht verkehrt herum? Gegeben, dass der türkische Anteil in der Gesellschaft wächst, würde es viel mehr Sinn machen, einfach Türkisch anstatt Englisch zu akzeptieren. Es gibt sogar sicherlich den Punkt, an dem man sich eine türkisch-teutonische bilinguale Gesellschaft vorstellen könnte.

Ich überlegte mir, ob das eine größere Wahrscheinlichkeit hätte als ich vor ein paar Wochen noch geglaubt habe – nach meiner Unterhaltung mit einer türkischen Mutter auf einem Weddinger Spielplatz. Meine zwei Jahre alte Tochter war damit beschäftigt, ihre feministischen Rechte klarzustellen, indem sie einen türkischen Jungen die Rutsche hinunter schob, der diese ganz für sich in Anspruch nahm. So habe ich also eine Unterhaltung angefangen (in schlechtem Deutsch, da ich kein Türkisch kann und sie kein Englisch), um Frieden zu machen. Wir haben uns noch etwas länger unterhalten und mit etwas Interpretationshilfe verstand ich ihre Auffassung von Sprache und Lernen. „Muttersprache zuerst“, sagte sie bestimmt. Ich stimmte dem im Großen und Ganzen zu, als ich feststellte, dass meine Tochter nicht „slide“ sondern „kleine Rutsche“ sagte und befürchtete, dass sie wohl permanent in eine Sprache rutschen würde, die ich nie ganz verstehen werde. Aber dann sagte mir die Frau, dass sie in Deutschland geboren wurde. Eine Deutsche von Geburt, die aber resolut an der türkischen Sprache für sich und ihre Kinder festhält. Ich kann das dennoch verstehen. Mit meiner Tochter in einem deutschen Kindergarten, mehr und mehr deutsch sprechend, möchte ich auch, dass sie etwas von meinem Englischsein besitzt und das kommt natürlich mit der Sprache. Natürlich bin ich bereit, Ihre Berliner Art zu adaptieren and zu adoptieren – vielleicht nicht unbedingt mit der ganzen Umgangsweise – aber ich will auch nicht von meiner Muttersprache loslassen. 

Mr. Lindner würde das nicht gutheißen – ganz besonders nicht auf einem Pausenhof. 

Warten wir nur noch darauf, dass er die Bockwurst zum Pflichtmittagsessen für alle macht. Frau Merkel ist nicht ganz so monokulturell. Deutschland solle nicht ein Land sein, das in der Welt den Eindruck erweckt, dass diejenigen, die nicht sofort deutsch sprechen, hier nicht willkommen sind. Das macht Sinn. Immerhin war sie ganz glücklich darüber, dass Deutschland den Eurovision Song Contest auf Englisch gewonnen hat.

Die Konservativen in England versuchen sich in einer ähnlichen Taktik: So wird die Sprache zu einem Werkzeug der Ausgrenzung, um Immigration zu mindern. Unter den neuen vorgeschlagenen Richtlinien dürfen Nicht-EU-Bürger erst dann nach England einwandern, wenn sie kompetentes Englisch sprechen, einen guten Grund haben, dort zu sein und eine akzeptable Tasse Tee zubereiten können. Okay, ich habe mir diesen letzten Punkt ausgedacht, aber soweit hergeholt ist das auch nicht.

Zurück nach Berlin und der türkischen Mutter. Ich habe mir überlegt, wie es denn dann für ihre Kinder an der Schule funktionieren wird: Ist dies eine selbst auferlegte Sprachbarriere? Oder ist es der Beginn eines bilingualen Deutschlands?

Mit all dem in meinem Kopf, dachte ich mir, oh Gott, ich muss Türkisch lernen. Nachdem ich Deutsch beherrsche, natürlich. Sagen wir, so um 2035 herum.

Bitte entschuldigen Sie, dass ich hier wochenlang nichts geschrieben habe. Ich war unterwegs, in Schottland zum Beispiel. Aber ich habe ein paar Neuigkeiten. Nach meinen Kaffee-Exkursionen in der Hauptstadt habe ich ein weiteres fantastisches Koffein-Cafe entdeckt. CK in der Marienburger Strasse. Cory, der den Laden betreibt, macht eine feine Tasse Kaffee und hat ein hübsches Ambiente geschaffen, in dem man seinen Flat White genießen kann. Und vielen Dank auch an alle, die mir über ihre Berlin Blitz Erfahrungen geschrieben haben, nach meiner letzten Kolumne – wenn es noch mehr Leute gibt, bitte nehmen Sie mit mir Kontakt auf. Ich freue mich mit Ihnen zu reden – vielleicht sogar auf Deutsch. 

Sie können Mark Espiner Ihre Berlin Tipps emailen unter mark@espiner.com oder ihm auf Twitter folgen @deutschmarkuk.    

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