zum Hauptinhalt

Filmvorstellung: Klassentreffen der Kampfmaschinen

Sylvester Stallone stellt im Hotel de Rome seinen neuen Film vor. Mit von der Partie ist auch ein alter Kontrahent von Rocky aus den 80ern: Ivan Drago alias Dolph Lundgren. Statt mit Rocky hat er bei der Filmvorstellung mit der Müdigkeit zu kämpfen.

Rocky trägt ein Hemd in zartem Rosa. Er lächelt ein Scheinwerferlächeln. Ivan Drago sitzt in noch zarterem Partnerlook daneben. Hat aber Schwierigkeiten, wach zu bleiben. Vor 25 Jahren haben Sylvester Stallone und Dolph Lundgren gegeneinander gekämpft, in „Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts“, seitdem sind sie sichtbar gealtert, und doch umgibt sie etwas Zeitloses. Als wären sie ihre eigenen Mattel-Actionfiguren.

Zwischen den beiden Legenden schweigt Jason Statham und wirkt, trotz eines sauber getrimmten Sechstagebarts, nur wie ein Praktikant im Haudrauf-Universum. Das Stiernacken-Ratpack ist nach Berlin gekommen, um „The Expendables“, Stallones neuen Film, vorzustellen, der ein Klassentreffen der Kampfmaschinen ist, bei dem die großen alten Männer des Actionkinos noch einmal all das zeigen dürfen, was sie groß gemacht hat. Lässige Sprüche, böse Blicke, waghalsige Stunts. Jet Li („Romeo Must Die“), Jason Statham („Crank“), Dolph Lundgren („Universal Soldier“) und Sylvester Stallone selbst tollen in dem Film durch eine Kulisse aus hagelnden Kugeln und flammendem Inferno. Und sind doch nur der Gefahr ausgesetzt, entweder einer Testosteron- oder einer Adrenalinvergiftung zu erliegen. Bruce Willis und Arnold Schwarzenegger, mit einem selbstironischen Gastauftritt, veredeln diese Hommage an das Actionkino der 80er, in der es, ganz nebenbei, auch noch um Korruption in der CIA und die Moral des Älterwerdens geht. Und um Tattoos.

Um Männlichkeit eben. Deshalb hängt im Hotel de Rome am Bebelplatz, in dem Stallone zur Pressekonferenz geladen hat, auch ein großes Poster, das seinen Rücken zeigt, auf dem ein Totenkopf prangt. Das Ganze ist monochrom gehalten, im Farbton der Legenden. Kurz bevor Stallone die Bühne betritt, legt sich fiebrige Popcorn-Stimmung über den Saal. Draußen warten ein paar Autogrammjäger und im Foyer lümmeln Bodyguards, die auch als Stuntdoubles durchgehen würden. Ein bisschen Hollywood. Das muss schon sein, wenn die Großväter der Krawumm-Ästhetik zu Besuch sind.

Türen schließen sich. Und wie aus dem Zelluloid ihrer Filme gefallen, wippen die Helden in den Ring. Stallone versteckt sein Gesicht hinter einer Sonnenbrille mit blau getönten Gläsern. Ein Gesicht, das auch immer etwas Maskenhaftes an sich hat. Als wäre eine Wachsfigur des jungen Rocky in der Hitze eines Hochsommers geschmolzen und wieder erkaltet. Nur sein Humor ist nicht gefroren und besitzt einen charmanten Punch, mit dem er das Publikum direkt auf die Bretter schickt. Wovor haben Sie noch Angst, Herr Stallone? Er überlegt kurz. „Vor meiner Frau und meiner Tochter.“

Von einer Adrenalin-Vergiftung ist nichts zu spüren. Vielmehr hat es den Anschein, als würden sich hier drei Männer zum Proteinshake-Kränzchen treffen. Veteranen eines langen Filmkriegs, in dem sie gute Freunde geworden sind. Ob Statham der nächste James Bond werden möchte? „Nur wenn Sly Miss Moneypenny spielt.“ Wieder großes Gelächter. Nur Dolph Lundgren scheint sich gedanklich bereits in den Mittagsschlaf zu verabschieden. Stallone aber, der als Drehbuchschreiber, Regisseur und Hauptdarsteller endgültig seine ganz eigene Dreifaltigkeit entwickelt hat, ist hellwach. Mit dem Film sei sein Traum in Erfüllung gegangen, noch einmal einen traditionellen Actionfilm zu drehen. Ohne Superhelden, die sich hinter Kostümen verstecken. Dafür aber mit gewöhnlichen harten Jungs. So wie früher. Eben auch eine Hommage an sich selbst. Ein Augenzwinkern hinter Tränensäcken. Harte Jungs, ganz weich.

Richtig männlich, so wie man das hier erwartet hat, wird es nur noch einmal. Ein Tätowierer möchte Stallones Autogramm auf das Bein gestochen haben. Stallone nickt. Gerne. Dann noch eine letzte Frage, bevor Lundgren endgültig wegdämmert. Wie finden Sie eigentlich Berlin, Herr Stallone? „Ich überlege mir, hier ein Appartement zu kaufen.“ Danke. Abgang der Legenden. Draußen vor dem Hotel stehen immer noch ein paar Autogrammjäger. Ob er Stallone bekommen habe, wird einer gefragt. Große Augen: „Ach, der ist auch hier?“ In der Hand hält er ein Bild von Jessica Schwarz. Kein Testosteron. Nirgends.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false