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Fußball-Look: So schmeckt die Weltmeisterschaft

Auch in Berlin ist das Turnier in Südafrika allgegenwärtig. Fußballmotive und die Nationalfarben zieren Bierdosen, Süßigkeiten – und Hundetrikots.

„Nehmen Sie unsere Volltreffer mit“, „Hier finden Sie den totalen Preiskick“, „Bei uns gibt‘s jetzt schon Anlass zum Jubeln“ – wo man hinschaut, werben Berliner Supermärkte und Geschäfte derzeit mit Slogans zur Fußball-Weltmeisterschaft. Dabei haben viele der so beworbenen Produkte an sich gar nichts mit Fußball zu tun. Doch es zählt nur, dass WM auf der schwarz-rot-golden geschmückten Verpackung steht. Dann können selbst Eier im Fußball-Look, Käsescheiben mit Biergeschmack oder Yoghurte namens „La Ola“ Treffer landen.

Neben den gängigen Devotionalien wie Fähnchen, Schals und Kappen fürs Public Viewing wird alles geboten, was die WM im eigenen Wohnzimmer und Garten angenehmer gestalten soll. Dabei scheint die ideale Fan-Nahrung – so will es zwar nicht der Sportarzt, aber die Industrie – aus großen Mengen Bier, Chips und Grillgut zu bestehen. Passend dazu gibt es Campingstühle, Gläser und Geschirr in Schwarz-Rot-Gold und außerdem jede Menge Megafone, damit der Nachbar auch sofort über den neuesten Spielstand Bescheid weiß, selbst wenn er seinen Platz vor dem Bildschirm gerade mal verlassen haben sollte. Apropos biologisch determinierte Spielpausen – manchmal ist der Zusammenhang zwischen Fußball und Produkt nur über besonders viele Ecken herzustellen. Es gehört schon einige Fantasie und Werberaffinesse dazu, um selbst Toilettenpapier mit ins raue Spiel um den Marktvorteil zu bringen. Doch mit Rasenduft und Fußballmotiven soll sogar das klappen.

Auffällig ist, dass es relativ wenige Geschäfte gibt, die unmittelbar mit den Slogans „WM 2010“ oder „Fußball-Weltmeisterschaft“ werben. Bis auf die offiziellen Sponsoren natürlich, die alle WM-Logos benutzen dürfen, ihre panierten Hähnchenhappen nun „Flügelstürmer“ nennen oder den offiziellen WM- Spielball verkaufen. Die meisten anderen haben vermutlich Angst vor den strengen Werberichtlinien und flinken Anwälten der Fifa. „Verständlicherweise möchte kein Händler zusätzlich Lizenzgebühren zahlen“, sagt Nils Busch-Petersen. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg freut sich sehr über den, um im Bild zu bleiben, Kick für den Handel. „Das gibt es erst seit 2006, dass eine Weltmeisterschaft in diesem Umfang als Thema gesetzt wird, und das schlägt sich natürlich auch in den Umsatzzahlen nieder“, sagt Busch-Petersen. So findet das Geschäft mit der WM in vielen Läden unter anderem Namen statt. Da wird in der Apotheke nicht von der Weltmeisterschaft, sondern vom besten Sonnenschutz für das „Fußball-Event“ gesprochen, T-Shirts sind mit Sprüchen wie „I love soccer“ bedruckt. Der Heimtierbedarfsmarkt „Fressnapf“ wirbt mit der „Wuff-Weltmeisterschaft“ und bietet Hundetrikots in Landesfarben, Kratzbäume in Zebraoptik und Nager-Knuspertore an. Beim Wohnungseinrichter „Butlers“ scheint ein in schwarzes Leder eingebundenes Buch für den nächsten Kirchgang bestimmt, tatsächlich ist es aber das „Fußball Unser“, ein Sammelsurium an Fakten und Geschichten rund ums getretene Leder. Und in der Galeria Kaufhof am Alexanderplatz finden die „Galeria Afrika“-Wochen statt. So lassen sich dank der WM sogar die „Wildtierpflegestation“ eines Spielzeugherstellers und lange Kleider im Ethno-Look besser an selbst weniger fußballinteressierte Konsumenten bringen.

Es gibt aber auch Berliner Unternehmen, die sich dem Trend zur totalen WM-Vermarktung entgegenstellen, wie das Baxpax Mitte Hostel in der Chausseestraße, das mit einer Anti-Fußball-Zone wirbt. „Viele Gäste kommen hierher, um die Stadt zu erleben, ihre Architektur, Clublandschaft und Einkaufsmeilen. Aber nicht, um vor dem Fernseher zu sitzen und 22 Männer einem Ball hinterherjagen zu sehen“, sagt Pia Peilert von Baxpax Hostels. Daher habe man sich entschieden, im Hostel keines der WM- Spiele zu übertragen.

Auch manche Dienstleister wie der Hundebetreuer Murat Karakaya nutzen die WM. Der 35-Jährige aus Tegelort bietet als WM-Special die tageweise Betreuung eines Hundes für 15 Euro an. „Es gibt viele Hundebesitzer, die zum Public Viewing möchten, aber ihren Hund nicht mitnehmen wollen“, so Karakaya.

Andere wiederum, wie das Kuratorium Gutes Sehen mit Sitz in Prenzlauer Berg, nehmen die WM zum Anlass für eine gemeinnützige Idee: Bis zum 31. Juli kann bei der Aktion „Brillen für Afrika“ jeder seine Altbrille spenden und dafür auch eine Versandpatenschaft übernehmen (Infos auf www.sehen.de).

Doch trotz des riesigen Angebots stößt mancher Fan tatsächlich noch auf Schwierigkeiten: In mehreren Baumärkten und Geschäften musste Dieter Schöppe aus Prenzlauer Berg suchen, bis er in einem Kaufhaus in Mitte endlich eine extragroße schwarz-rot-goldene Stockfahne für seine Laube fand. Vier Jahre alt war Schöppe beim „Wunder vom Bern“, seitdem ist der 57-Jährige Fußballfan. Neulich hat er den damaligen Mittelfeldspieler Horst Eckel auf einer Münzbörse getroffen und zusammen mit seinen Enkeln Fotos mit dem Weltmeister von 1954 gemacht. „Autofahnen gab es damals nicht, von all den Werbeaktionen ganz zu schweigen“, sagt Schöppe. Er finde die Begeisterung über die WM an sich ja toll. Aber die stelle sich bei ihm persönlich auch ohne Weltmeister-Pudding ein.

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