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Vorhang auf für Hallervorden. Der 75-Jährige feiert am Samstagabend mit vielen Wegbegleitern am Theodor-Heuss-Platz.

© Imago

Hallervordens erste Adresse: Die Wühlmäuse werden 50

Von Stars, Stasi und beleidigten Polizisten: Die "Wühlmäuse" feiern am Sonnabend mit kleiner Verspätung ihr 50-jähriges Bestehen. Dieter Hallervorden hatte die Bühne 1960 gegründet.

Vor ein paar Jahren hat Dieter Hallervorden sogar noch erfahren, was die Stasi von seinen „Wühlmäusen“ gedacht hat. „Das Programm ist niveaulos, unglaublich flach und dumm. Trotzdem durch eine scharfe antikommunistische Hetze gefährlich“, hieß es in einer 2003 aufgetauchten Akte über den Schauspieler, der 1958 wegen „Republikflucht“ aufgefallen war. Es wird Hallervorden wohl freuen, dass das von ihm gegründete Kabarett zumindest als Spielort die DDR deutlich überlebt hat: Am heutigen Sonnabend feiert er das 50. Jubiläum mit einer Show am Theodor-Heuss-Platz.

Wühlmäuse und Hallervorden – eine Zwangskombination. Er verkörpert die metaphorischen Nagetiere stärker, als jemals irgendjemand die „Stachelschweine“ oder die „Lach- und Schieß-Gesellschaft“ verkörpert hat. Dabei war es am Anfang, im Dezember 1960 durchaus keine Solonummer: Rotraut Schindler und Wilfried Herbst waren die anderen Mitglieder der Gruppe, Schauspielschüler wie er. In Hallervordens Autobiografie beschreibt er, wie ihm ein gescheitertes Vorsprechen bei den „Stachelschweinen“ den Impuls gab. Mangelnde Begabung? „Das machte mich so wütend, dass ich mein eigenes Kabarett gründete.“

Politisch-satirisches Kabarett also, aus heutiger Sicht nicht mehr selbstverständlich, denn Hallervorden gilt ja allgemein eher als Dinosaurier der Comedians. Doch in den ersten sechs Jahren in der ehemaligen „Scala“ in der Martin-Luther-Straße in Schöneberg hießen die Programme „Völker, hört die Skandale!“ oder „Bonn Quichotte“. Hallervorden und Schindler, bald auch privat verbandelt, bildeten den Wühlmaus-Kern, etablierten sich zusammen mit Kurt Schmidtchen und Gerhard Wollner als Tour- und TV-Team.

1966 erweiterten sie das Konzept mit dem Umzug in die neue Residenz in der Lietzenburger Straße – gegeben wurde fortan das „kabarettistische Theaterstück“. Tagesspiegel-Kritiker Günter Grack witterte zwar anfangs nur „mehr oder minder geschickt kaschierte Nummernfolgen“, doch die Idee kam an. Betonte Aufmüpfigkeit war freilich selten Hallervordens Sache; einmal, 1972 machte sich die Truppe im Einklang mit dem Zeitgeist über die Polizei lustig und bekam Ärger mit jungen Polizeigewerkschaftlern, die den Polizeipräsidenten Hübner aufforderten, den Schauspielern die „polizeieigene Dienstkleidung“ zu entziehen: Die Vorführung überschreite die „Toleranzgrenze“. Hübner lehnte ab – und Hallervorden bestellte prompt einen weiteren Satz Uniformen.

Doch dann trennten sich die Wege langsam. Hallervorden orientierte sich mehr und mehr in Richtung Fernsehen, startete 1975 „Nonstop Nonsens“ und wechselte vom Kabarett zum Slapstick, erprobte sein Grimassier-Potenzial in Filmklamotten wie „Ach du lieber Harry“, moderierte „Verstehen Sie Spaß?“, trällerte im Duett mit Helga Feddersen „Die Wanne ist voll“ und wandte sich 1993 mit der Sat 1-„Spottschau“ wieder mehr dem politischen Kabarett zu.

Der Begriff „Wühlmäuse“ stand da längst nicht mehr für ein Ensemble, sondern für das Theater selbst, in dem ein vielfältiges Programm lief, zwischen leichter Theaterkost und nicht ganz so leichter Musik – selbst Zarah Leander und Eartha Kitt traten in der Lietzenburger Straße auf. Mit dem Umzug in den Naafi-Club in der Pommernallee im Jahr 2000 begann die dritte Phase der „Wühlmäuse“ als Comedy-Theater. Hallervorden regierte das Haus oft nur noch aus der Distanz seines bretonischen Schlosses – und ist ja nun auch noch Intendant des Schlosspark-Theaters in Steglitz. Dennoch wird das Jubiläum natürlich gefeiert: Auf dem Programm stehen langjährige Weggefährten wie Gabi Decker, Arnulf Rating, Hans-Werner Olm und Ingolf Lück. Die Show ist ausverkauft.

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