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Kultkneipe: Hamburger Oberhafen-Kantine jetzt auch in Berlin

Der Künstler Thorsten Passfeld hat die Hamburger Kultkneipe Oberhafen-Kantine nachgebaut. Jetzt steht sie am Hamburger Bahnhof.

Na klar, Berlin ist am schönsten. Aber Hamburg hat auch so seine Reize. Allein der Hafen, viel größer als hier Westhafen und Osthafen zusammen. Und die Kantinen. Die Kantinen? Jawohl: die Oberhafen-Kantine ist die wundersamste Kneipe der Hansestadt. Nicht, weil sich in der zweigeschossigen Klinkerbaude an der Kaimauer, in der Stockmeyerstraße unter der Hochbahn, zu reellen Preisen prima Astra trinken und Labskaus essen lässt. Nicht, weil dies die letzte erhaltene historische Kaffeeklappe des Hafens ist, wo sich einst im Morgengrauen müde Schauerleute an ihre Kaffeepötte klammerten. Sondern, weil die Oberhafen-Kantine schief ist. Beim Reingehen fällt einem die Tür entgegen, beim Rausgehen hat man auch ohne einen im Tee zu haben, mächtig Drall. An einigen Tischen rutschen Teller und Tassen herum wie auf hoher See und die Lampen anzuschauen macht seekrank. Sturmfluten haben die Schräglage gemacht, wer sonst. Saniert, unter Denkmalschutz und regelmäßig kulturell bespielt, bleibt die aufgehübschte Oberhafen-Kantine für immer schief.

Auch in Berlin, wo die Oberhafen-Kantine jetzt bis Oktober zu Besuch ist. Allerdings nicht die echte, sondern der schon in Hamburg ausgestellte Holznachbau des 34-jährigen Malers und Bildhauers Thorsten Passfeld. Der Mann bastelt seit zehn Jahren verrückte Fantasiehäuser aus Abrissholz, bis zu 150 Quadratmeter große Skulpturen, die wie die für das Schauspielhaus Hamburg auch mal mit Theater bespielbar sind. Die Oberhafen-Kantine ist sein erster und einziger Nachbau eines bestehenden Hauses, über viele Monate ganz allein ausgeführt.

Wie ein Fremdkörper steht die rustikale Bude links hinterm Hamburger Bahnhof unweit des Hauptbahnhofs auf dem kahlen, zugigen Parkplatz, der sich Kunstcampus nennt. Am Wasser und an der Bahn, so wie in Hamburg. Auch wenn die Schienen in Berlin in Gestalt des ehemaligen Bahnhofs nur stark abstrahiert zu haben sind. Dafür ist die per Schiff nach Berlin gereiste Kneipenskulptur umso realer. Drinnen wird noch gehämmert. Und Thorsten Passfeld ein handfester Bursche mit Sägespänen auf dem T-Shirt und keinem Blatt vor dem Mund. In Hamburg sei seine Replik Kunst gewesen, „hier ist es nur noch Veranstaltungsbau.“

Die Idee des bekannten Kulturinvestors Klausmartin Kretschmer, Auftraggeber des Nachbaus und Besitzer der Originals, die Holzkantine als Botschafter Hamburgs für Kultur und Nachhaltigkeit um die Welt zu schicken, geht Passfeld nach diesem Aufbau nichts mehr an. Nach Schanghai, London und New York wird die Hütte ohne ihn verschifft.

„Nachhaltigkeit?“, grinst Passfeld. „Wenn McDonald’s schon mit so einem Begriff kommt, stimmt daran was nicht mehr.“ Seine manische Holzsammelei erklärt er so: „Ich hab ein 50er-Jahre-Gen und kann nichts wegwerfen, woraus man noch was machen kann.“ Eine Botschaft habe seine Replik trotzdem, sagt er: „Trau dich, mach das!“ Jeder könne allein ein ganzes Haus bauen, bildlich gesprochen. Er selbst hat inzwischen genug davon und in Hamburg eine Ausstellung mit filigranen Arbeiten aus Sperrholz und Farbe laufen.

Bei der für nächste Woche geplanten Eröffnung der Oberhafen-Kantine, die bis zum Herbst mal einfach nur als Kunstobjekt im Stadtraum wirken und mal mit Kultur und Partys bespielt werden soll, fehlt Passfeld. Er macht zwar auch Musik, aber Kunsteventkram interessiert ihn nicht. Außerdem: „Nach Berlin komm ich nicht so schnell wieder“, sagt er halb ernst, halb scherzhaft. „Die haben mir gestern Nacht meinen vorm Hotel in der Invalidenstraße geparkten Transporter ausgeräumt. Handwerkszeug und Elektrosägen für 8000 Euro – alles weg.“ Haben einfach keinen Respekt vor der Kunst, die Hauptstädter.

Informationen zur Bespielung der nachgebauten Oberhafen-Kantine im Netz auf der im Aufbau befindlichen Seite: www.oberhafenkantine-berlin.de

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