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Hippie

© Uwe Steinert

Geschichte: Heimatkunde mit Hippie

So lebendig waren Stadtführungen noch nie: Eine Theatergruppe lädt zur Tour durch Kreuzberg.

Ein riesiges Plüschkaninchen springt durch die Hasenheide, ein Mann mit wehendem Rauschebart kreuzt seinen Weg, ein aufgeregter Mops rennt zwischen ihren Beinen herum. Passanten drehen die Köpfe, Maria Jamborsky lächelt charmant unter ihrem dunkelblauen Käppi.

Kurz zuvor hatte die 30-jährige Künstlerin noch in ironischem Stadtführerinnen-Tonfall erzählt, wie der „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn 1811 in dem bereits 1678 von Friedrich Wilhelm I. als Hasengehege angelegten Park den ersten Turnplatz Deutschlands eröffnete – daher das Kaninchen und der Zausel. Es ist ein rumpelig-buntes Chaos am Ende der Stadttour-Performance „Drifting Underground“. Anderthalb Stunden lang haben Jamborsky und ihre Kollegen – der behelmte Sicherheitsexperte Hugo, der eifrige Praktikant Jürgen sowie Co-Reiseleiterin Kelly – eine Gruppe Neugieriger durch den Kreuzberger Graefekiez geführt.

Auch diesen Sonnabend startet die Karawane wieder. Wer mitwill, kann sich ohne Voranmeldung um 18 Uhr an der Admiralsbrücke einfinden. Von dort aus geht es die Grimm- und Fichtestraße entlang. Jürgen wird den Wagen mit der Musikanlage ziehen, Hugo passt auf, dass keiner bei Rot über die Straße geht, und die Leiterinnen teilen sich das Mikro, Erklärungen gibt es auf Deutsch und Englisch.

Auf dem Weg geht es weniger um detaillierte Lokalgeschichte als um die Auftritte der fantasievoll verkleideten Darsteller, die hinter jedem dritten Strauch lauern. Ein fröhliches Dutzend wechselnder Schauspieler und Musiker aus dem Umfeld des Neuköllner Kunstprojekts „Karmanoia“ hat Jamborsky für das Projekt zusammengetrommelt. Eine feste Größe ist etwa der schippchenschwingende Archäologe, der im Spielplatzsand nach der alten Ortschaft Cölln buddelt, die einst vom gefräßigen Berlin geschluckt wurde. Oder der hyperaktive Hippie, der die Zuschauer zur Produktion einer aus Bananen gewonnenen Superdroge rekrutiert. Pflücker, Schäler und Tester wuseln durcheinander, natürlich wird auch ein Oberchef gebraucht – es ist nur einer von vielen ironischen Seitenhieben auf die Leistungsgesellschaft.

Auch wenn sie den Unkostenbeitrag von zehn Euro pro Teilnehmer gut gebrauchen können, geht es den „Driftern“ klar um den Spaß am Spiel. Und der ist übertragbar. Auch die beiden vom Abschlussspektakel in der Hasenheide angelockten Jungkiffer geraten beim Anblick des bärtigen Turnvaters ins Kichern. Jan Oberländer

Wer dieses Mal keine Zeit hat: Für den 25. Oktober ist eine weitere Tour geplant. Bitte eigene Taschenlampen mitbringen. Infos unter www.drifting-underground.de.

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