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Verein Klangnetz: Im Reich des Halbtons

Neue Musik ist nicht gerade populär. Komponisten haben sich daher zum Verein Klangnetz verbunden

In dem kleinen Raum herrscht eine Atmosphäre konzentrierter Ruhe. Die Tafel ist mit Noten und Zahlen übersät, „chromatischer Halbton“ steht da, „Skrjabin“ dort. 15 junge Leute sitzen um einen Tisch und hören eine Aufnahme. Eine ätherische Sopranstimme wird begleitet von den fallenden Quinten eines Klaviers. „Ich wollte so wenig Musik wie möglich haben, um dem Text eine Plattform zu bieten“, sagt Amit Gilotz aus Israel, der das Stück geschrieben hat. Seinem Nachbarn ist es zu „angenehm“, zu „einfach“. Vielleicht ist es, so die These des anwesenden Professors, ein Luxus des sicheren westlichen Lebens, Desaster in der Musik komponieren zu können. Israelische Komponisten sind täglich so sehr mit Terror konfrontiert, dass sie ihn nicht auch noch in der Musik haben wollten. „Naaa“, tönt es aus der Gruppe. Die These wird kollektiv abgelehnt.

Wir sind zu Gast an der Universität der Künste, in einem Workshop des Berliner Komponistenvereins Klangnetz, der gerade einen Austausch mit israelischen Komponisten organisiert. Ja, das gibt es: Junge Menschen, die nicht den Weg des geringsten Widerstandes gehen, sondern sich schon als Kind für Kunstmusik interessiert haben. „Die meisten von uns haben ein Instrument erlernt und dann durch Learning by Doing und mit Tausenden von Fehlern die Notation erlernt“, erzählt Asmus Trautsch. Nach dem Studium fallen viele in ein Loch, denn Publikum und Markt gieren nicht nach Neuer Musik. Also gründeten einige UdK-Absolventen 2003 den Verein, damit nicht jeder für sich kämpft und den anderen ausbootet. Und um gemeinsam eine Idee zu entwickeln, was mit einem Konzert eigentlich gesagt werden soll. Ein weiterer Vorteil: Fördergelder, etwa vom Haupstadtkulturfonds oder vom Goethe-Institut, fließen nicht an Individuen, sondern nur an Kollektive. 20 Mitglieder, im Schnitt um die 30 Jahre alt, hat der Verein heute.

„Natürlich war Komponist schon immer ein prekärer Beruf“, meint Trautsch. Schumann arbeitete als Kritiker, Wagner wäre ohne den königlichen Mäzen wahrscheinlich in der Versenkung verschwunden. Aber in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war die Situation anders als heute. Rundfunksender spielten selbstverständlich Neue Musik, auch um dem Geist des Nationalsozialismus, der die Existenz „entarteter Musik“ behauptet hatte, entgegenzuwirken. Auf den Donaueschinger Musiktagen und den Darmstädter Ferienkursen entstand sehr viel Musik, die junge Komponisten bis heute inspiriert. Aber die großen Proteste im Publikum sind vorbei – was nicht unbedingt ein Fortschritt ist. „Man kann heute vieles spielen, die Leute finden es nett und gehen nach Hause. Die Aufmerksamkeit nimmt ab, die Gleichgültigkeit zu“, sagt Trautsch.

Trotzdem entstehen Stücke, und die reichen vom Soloinstrument oder Sologesang über Duos und Trios und Werke für größeres Ensemble bis zu Orchesterwerken und Opern. Waren sie nie in der Versuchung, Pop- oder Filmmusik in purer Tonalität zu schreiben, um mehr Geld zu verdienen? „Natürlich haben wir eine Affinität zum Pop, wir wachsen ja nicht in einer Blase auf“, erklärt Vereinsmitglied Yoav Pasovsky. Aber Kunstmusik, das sei doch eine andere Qualität, die habe eine Tiefe und Dimension, die Pop einfach nicht behandle. Also: Gebrauchsmusik höchstens als Nebenverdienst. „Mein Ethos würde ich da nicht reinstecken“, versichert Pasovsky. Und er weiß, wovon er spricht. Auch als Barpianist hat schon gearbeitet.

Am Donnerstag, 20 Uhr, spielt das Ensemble Adapter Werke von Klangnetz-Komponisten in der Akademie der Künste, Pariser Platz 4. Eintritt: 10/6 Euro. Vom 24. bis 26. Juni veranstaltet der Verein mit dem Zentrum für Literatur- und Kulturforschung am selben Ort das Symposium „Klang und Musik im Werk von Walter Benjamin“, das sich vor allem mit der „Berliner Kindheit um 1900“ befasst. Infos: www.klangnetz.org

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