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Stadtleben: Knopfdrücken im Kinosaal

Eine junge Kreuzberger Firma will den Filmgeschmack des Publikums erkunden

Das Bier danach ist fürs Wohlbefinden essenziell. Oder auch Kaffee, Wasser, Wein, je nach Gusto. So lässt sich der Ärger übers soeben Erlebte besser hinunterspülen – oder aber man prostet sich begeistert über den tollen Abend zu. Ein schönes Ritual nach einem Kinoabend, von geradezu kathartischer Wirkung, doch es geht auch schneller: Wahlweise einen Knopf von sechs möglichen drücken, je nachdem, ob der Film super, hundsmiserabel oder irgendwo dazwischen war.

Auch der Knopfdruck beim Verlassen des Kinosaals sollte Ritual werden, so wünschen es sich die vier Gründer der Firma Kinomatch am Kottbusser Damm. Allesamt Filmfreunde mit Vorbildung in Sozialwissenschaften oder Informatik, sind sie vor gut drei Jahren angetreten, die Meinung des Publikums übers Kinoprogramm zu erkunden, unmittelbar nach dem Filmerlebnis über eigens in den Kinos aufgestellte Geräte, um so eine Schnittstelle zu schaffen zwischen Verleih, Kino, Zuschauern, Medien. Damit soll auch einmal Geld verdient werden, durch Sponsoring-Modelle, wenn etwa Rundfunksender die Ergebnisse für ihre Sendungen auswerten dürfen, aber davor steht die Basisarbeit, die Werbung fürs neue Produkt, das Gewinnen von Partnerkinos, das Überzeugen potenzieller Kunden, dass das neue Angebot hilfreich sei – für die über Kino berichtenden Medien etwa, um zu sehen, zu welchem Film Blog-Debatten initiiert werden könnten. Die für neue Geschäftsfelder zuständigen Leute im Bundeswirtschaftsministerium hat die Idee überzeugt: 2004 gehörte Kinomatch zu den Preisträgern im ministeriellen Gründerwettbewerb „Mit Multimedia erfolgreich starten“.

Die ersten Geräte, so erzählt Andreas Sadde-Grewohl, zuständig für Vertrieb und Marketing, wurden noch von den Gründern selbst zusammengeschraubt. Mittlerweile lässt man die Apparate herstellen. 80 Kinosäle in Berlin, Potsdam und Umgebung sind bereits damit ausgestattet, Filmtheater wie das Delphi, das Filmkunst 66, der Titania-Palast oder neuerdings das Kino in der Kulturbrauerei. Häuser mit eher ambitioniertem Programm sind ebenso darunter wie Abspielstätten für Popcorn-Filme, ohnehin ist die Grenze zwischen Arthouse und Mainstream-Programm aufgehoben.

Bis zu 60 000-mal im Monat wird mittlerweile per Knopfdruck abgestimmt, kürzlich konnte die millionste gültige Stimmabgabe gefeiert werden – bei 3,8 Millionen Mal Knopfdrücken. Das Gerät scheint manche Kinobesucher zum improvisierten Klavierspielen zu animieren, auch mehrfaches Drücken gibt es offenbar – doch die installierte Technik, versichert Sadde-Grewohl, filtert dergleichen heraus. Im Schnitt nutzen 30 Prozent des Publikums die Möglichkeit des Knopfdrucks, bei Kinos wie dem Titania-Palast mit seinem oft sehr jungen Publikum liege die Quote schon mal bei 60 Prozent.

Natürlich gibt es konkurrierende Modelle, Erfolg im Kino zu messen, über die Besucherzahl etwa, die aber, kritisiert der Kinomatch-Mann, weniger ein Indikator für die Popularität eines Films sei, sondern eher für den Werbeetat des Verleihs. Wie oft sei es schon vorgekommen, dass ein mit viel Reklame aufgepumpter Film nach dem ersten Wochenende an Fahrt verlor: Es hatte sich herumgesprochen, dass er nichts taugt. Umgekehrt kann ein „kleiner“, kaum beworbener, doch den Geschmack treffender Film nach bescheidenem Start plötzlich an Fahrt gewinnen. Zwar kann das Publikum auch im Internet abstimmen, etwa beim Branchendienst IMDB oder auf der Homepage von der Cinemaxx-Kette, die dies mit großem Zuspruch seit vier Monaten anbietet. Einen repräsentativen Querschnitt durchs tatsächliche Publikum und seinen Geschmack erhalte man dadurch aber nicht, sagt Sadde-Grewohl, anders als beim Kinomatch-Modell, das einzigartig sei.

Mit dessen Kinocharts wird also nicht die Zahl der Besucher gemessen, sondern ihre durchschnittliche Zufriedenheit mit den aktuellen Filmen, zu studieren auf der Homepage von Kinomatch. Derzeit wird die Top-Ten-Liste angeführt von „Königreich Arktis“. Ergänzend gibt es die Einsercharts – Filme, die die meisten Besucher mit 1 bewerteten, mit dem Sieger „Ratatouille“. Und es gibt die Zwist-Charts, deren Filme das Publikum besonders stark entzweien. Derzeit an der Spitze: „Von Löwen und Lämmern“ – danach benötigt man offenbar mindestens zwei Bier.

Näheres im Internet unter

www.kinomatch.de

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