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Maria Kohl: Die Wunschfrau

Maria Kohl erfüllt in dem Verein "Kinderträume" Wünsche von kranken Kindern. In zehn Jahren half sie 1500 jungen Menschen.

Beim Papst geht niemand ran. „Die machen wohl gerade Mittagspause“, sagt Maria Kohl und legt den Telefonhörer energisch auf. Mehrmals hat sie es an diesem Vormittag schon probiert, ohne Erfolg. Dabei muss sie dringend einen Termin bei Benedikt XVI. ausmachen. Nicht für sich, sondern für den neunjährigen Wenzel. Der Junge hat Krebs, möchte sich für seine Therapie den Segen des Papstes holen. Maria Kohl will ihm das ermöglichen. Seit zehn Jahren leitet sie den Verein Kinderträume, mit dem sie lebensbedrohlich erkrankten Kindern Wünsche erfüllt.

Treffen mit Popstars, Schauspielern oder Sportlern, Besuche im Museum, Ausflüge ins Delfinarium oder auf den Reiterhof – mit Bitten wie diesen wenden sich Kinder aus ganz Deutschland an den Verein. Viele von ihnen sind an Krebs erkrankt, haben schon lange Behandlungen und Krankenhausaufenthalte hinter sich. Die Abwechslungen, die ihnen die ehrenamtliche Helferin für ein paar Stunden, einen Nachmittag ermöglicht, verleiht ihnen neue Energie. „Sie vergessen dann für einen Moment ihre Krankheit“, sagt die 71-Jährige.

Gut 1500 Wünsche hat der Verein bislang erfüllt. Das liegt nicht nur am Eifer, mit dem Maria Kohl bei Unternehmen um Sachspenden und Rabatte bittet. Ein Großteil ihrer Arbeit wurde erst durch private Spenden möglich. So gingen nach einem Tagesspiegel-Artikel über die Gründung von Kinderträume e.V. knapp 11 000 Mark auf dem Vereinskonto ein. Sie weiß, dass heutzutage „kein Pfennig selbstverständlich ist“.

Bei der Organisation der Kinderanfragen wird die Vereinschefin von ehrenamtlichen Helfern unterstützt, bei der Büroarbeit seit kurzem auch von einer Honorarkraft. In dem hellen Souterrain-Raum am Brixplatz in Charlottenburg liegen derzeit 60 offene Briefe auf dem Tisch. Etwa von Matthias, 16, der sich ein Holzhäuschen wünscht („dann hätte ich ein kleines Stückchen Freiheit“), oder von Tina, 9, die gerne Rosenstolz treffen möchte. Maria Kohl sortiert jedes Schreiben in eine Klarsichthülle und lässt dann per Fax und Telefon ihre Kontakte spielen. Kürzlich besuchte sie zum Beispiel den achtjährigen Sören im Virchow-Klinikum, in Begleitung von Jungschauspieler Jimmy Blue Ochsenknecht und dessen Mutter Natascha. Die war von dem Treffen so gerührt, dass sie kurzerhand die Schirmherrschaft für Kinderträume e.V. übernahm.

1500 Wünsche in zehn Jahren – das ist fast jeden zweiten Tag ein glückliches Kind. Dafür ist Maria Kohl gerne unterwegs, oft auch am Wochenende oder bis spät in den Abend. Die zierliche Frau reist dafür quer durch Berlin und ganz Deutschland. Für dieses Engagement verlieh ihr Bundespräsident Horst Köhler vor zwei Jahren das Bundesverdienstkreuz.

Die Arbeit von Kinderträume e.V. ist manchmal auch eine Arbeit gegen die Zeit. Wie bei Matthias, 17, der sich wegen seines Knochenkrebsleidens ein Wasserbett gewünscht hat, damit das Liegen angenehmer ist. Als Maria Kohl endlich die Lieferzusage eines Hersteller hatte, starb der Junge. „Wenn das nicht alles so traurig wäre – die Kinder sind so wunderbar“, sagt sie und guckt dabei aus dem Fenster, um den Gedanken nicht weiter an sich heranzulassen. Draußen, in dem kleinen Park vor dem Haus, zwitschern Vögel, quaken Frösche. Nicht weit gibt es eine Kirche, dort besucht Maria Kohl abends oft die Rosenkranzandacht.

Die gebürtige Eisenacherin ist eigentlich ausgebildete Sopranistin. Nach dem Studium an der Berliner Hochschule für Musik arbeitete sie jahrelang als freie Sängerin. Kurz nach der Wende fing die Künstlerin mit ihrer wohltätigen Arbeit an. „Ich möchte einfach etwas geben“, sagt Maria Kohl. Sie selbst hat keine Kinder, „das war mir leider nicht vergönnt“. Umso mehr Kraft und Zeit investiert sie nun in die Kinderträume. Ihre größte Freude sind die vielen mit bunten Zeichnungen verzierten Dankesbriefe, die im Büro an den Wänden hängen.

Einen Besuch beim Papst zu organisieren, ist für Maria Kohl zwar keine leichte Aufgabe, aber eine machbare. In der Vergangenheit konnten auf ihre Vermittlung hin zwei Kinder in den Vatikan reisen. An den Bürowänden hängen Fotos davon. Sie zeigen Papst Johannes Paul II. und einen kleinen Jungen mit Brille. Auf dessen Kopf zeichnet sich eine lange Operationsnarbe deutlich zwischen den dunklen Haaren ab, aber die scheint er in diesem Moment vergessen zu haben: Er lächelt glücklich. Nana Heymann

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