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© Mike Wolff

Stadtleben: Mode mit Muckis

Über Jeff Ewuzi staunen die Kids, und die Frauen wundern sich: Der 33-Jährige Ladenbesitzer ist ein Kreuzberger Original von heute.

Egal ob die Sonne scheint oder es schneit – Jeff steht vor seinem Modegeschäft in der Zossener Straße, einen Kaffeebecher locker in der Rechten und quatscht angeregt mit Kumpels oder Kunden. Meist trägt er enge Klamotten, die seinen muskelbepackten Oberkörper voll zur Geltung bringen. Jeden, der aus der Tür des Wohnhauses tritt, begrüßt er mit einem Kopfnicken, viele mit Handschlag. Jeff kennt sie alle und alle ihn wie auch die meisten Inhaber der kleinen, schicken Läden und Cafés nördlich der Bergmannstraße. Oft zuckt seine Hand in die Brusttasche zum brummenden Handy: Vertreter wollen eine Kollektion vorstellen, die neue Filiale in Friedrichshain muss eingerichtet werden und seine Mutter kündigt an, demnächst zum Blitzbesuch aus Texas vorbeizukommen. Jeff ist ein Powermensch, der morgens um fünf durch den Grunewald joggt, dann Klamotten im Showroom ordert und anschließend den ganzen Tag seine Kundinnen mit einem Einfühlungsvermögen berät, wie es wohl nur Bruce Darnell aufbringt.

„Not only shoes“ heißt das Geschäft des 33-Jährigen, in dem er Sachen verkauft, die angeblich Ressourcen schonen. Etwa organische Jeans, fair produzierte Jacken, Turnschuhe ohne Gummisohlen. Die veganen Taschen aus synthetischem Leder entsprechen Jeffs Lebenseinstellung, nach der Stil und Lebensqualität zusammengehören. „Wer die Geschichte Kreuzbergs kennt, weiß, dass die Leute hier immer ihren eigenen Weg gegangen sind“, sagt Jeff, „deshalb mögen sie meine Sachen.“ Wie die Touristen, die in der Bergmannstraße nach Berliner Besonderheiten suchen.

Jeff ist selbst so eine Besonderheit. Sein Familienname Ewuzi kommt aus dem Westafrikanischen, geboren und aufgewachsen ist er aber in Houston, Texas. Seine Eltern sind geprägt von der schwarzen Bürgerrechtsbewegung der 60erJahre. Mit zwölf Jahren wird Jeff nach London in ein von katholischen Nonnen geführtes Internat geschickt. Erst zum Politik-Studium kehrt er zurück nach Houston. Damals beginnt er mit dem Boxtraining, das seine Muskeln auf so bedrohliche Maße anwachsen ließ, dass er noch heute bewundernde Blicke der türkisch- arabischen Nachbarskinder erntet. Ab und an lugen welche in den Laden und fragen: „Woher hast du diesen Körper?“

1998 bereist er Deutschland und verliebt sich: einmal in das Land und außerdem in einen Menschen. „Berlin war für mich immer ein Begriff“, sagt Jeff, „schon allein aufgrund der politischen Aktivitäten, von denen ich viel gelesen habe.“ Die Deutschen nimmt Jeff als verschlossen wahr, zumindest weniger offen als sich selbst. „Die Deutschen überlegen alles sehr gründlich, bevor sie den ersten Schritt machen“, sagt er, „diese deutsche Gründlichkeit ist eine Sache, die wir Amerikaner nicht mitbringen. Wir sind auch fleißig, aber die Deutschen sind eben gründlich.“

Probleme wegen seiner dunklen Hautfarbe hatte er noch nicht, die Frage ärgert ihn sogar. Nein, er habe sich weder in Grunewald, wo er wohnt, noch in Kreuzberg mit Rassismus auseinandersetzen müssen. Womöglich schützt ihn neben den sicheren Aufenthaltsorten auch seine stabile Boxerstatur vor Anfeindungen. „Ich bin da nicht so unberuhigt. In meinem Alltag sehe ich das auch ganz und gar nicht, nicht als Geschäftsmann, nicht als Sportler, nicht als Freund.“ Erst auf Nachfrage gibt er zu, dass es für ihn als Schwarzen in Deutschland ungeschriebene Regeln gibt. Eine davon gilt für Geschäftsreisen nach Ostdeutschland. „Wenn ich in den Osten fahre, dann nur mit Navigationsgerät! Der Tank muss voll sein, die Fenster zu und die Musik laut.“

Oliver Numrich

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