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Rock'n Roll gab's nach dem Lärmstreit im Knaack ab 22 Uhr nur noch leise - die Besucher blieben zu Hause.

© Paul Zinken

Nach Lärmstreit: Knaack-Club geht mit 59 in Rente

Nach 59 Jahren Betrieb und großem Lärmstreit schließt der Knaack-Club im Prenzlauer Berg seine Türen. Rund um das letzte lautstarke Punk-Metal-Konzert traten viele anrührende Erinnerungen zutage.

Es war vielleicht nicht die beste Entscheidung, für das allerletzte Konzert nach 59 Jahren Clubgeschichte keine Berliner, sondern eine Münchner Band zu buchen. Sicher, der Punk-Metal-Sound ist satt, der Auftritt energiegeladen. Doch viel mehr als ein lapidares „’Auf Wiedersehen Knaack’ kann ich nicht sagen, wir sehen uns ja leider nicht mehr“, fällt dem Sänger von der Band From Constant Visions auch nicht ein. Immerhin, auch Contravolta stehen an diesem Abend kurz auf der Bühne, die Musiker kommen aus Berlin. Und da ihr Sänger Texas Frank das Knaack seit rund zehn Jahren kennt, hat er ein paar – ungebrochen idealistische – Worte mehr zum Abschied parat: „Lasst uns dafür kämpfen, dass das, was mit dem Knaack passiert ist, in Berlin nie, nie wieder geschieht!”, ruft der 30-Jährige ins applaudierende Publikum.

Das besteht um 20 Uhr nur aus rund 30 Personen. „Wir haben zwar immer wieder kommuniziert, dass Konzerte jetzt um acht anfangen und um Punkt zehn aufhören müssen – aber unser Publikum konnte sich nicht daran gewöhnen“, sagt Patrick Radimersky vom Knaack und nennt damit indirekt den Grund, warum der traditionsreiche Club in Prenzlauer Berg zum Jahresende endgültig schließen wird. Denn seit dem Sommer war hier an der Greifswalder Straße ab 22 Uhr nur noch leise feiern möglich, weshalb immer mehr Gäste fernblieben. Vorausgegangen waren juristische Auseinandersetzungen mit den Wohnungseigentümern eines neu errichteten Wohnhauses in der Nachbarschaft, die sich über nächtlichen Lärm beschwert hatten und am Ende ihre Ansprüche vor dem Oberverwaltungsgericht durchsetzen konnten. Für einen weiteren Prozess hatten die drei Knaack-Betreiber kein Geld und auch keine Kraft mehr. Zwei von ihnen haben ihr gesamtes Privatvermögen in den Club gesteckt, so dass an eine Neueröffnung an anderem Ort allein wegen der erforderlichen fünfstelligen Kautionssumme kaum zu denken ist. So findet nun am 12. Dezember ab 20.30 Uhr noch ein Akustikkonzert statt und zu Silvester dann die wirklich allerallerletzte Party.

Die Bühne gehörte diesmal dem Knaack.
Die Bühne gehörte diesmal dem Knaack.

© dpa

Gegen halb zehn ist es vor der Bühne dann doch noch etwas voller geworden. Ein älteres Paar – gut angezogen, er mit dichtem weißen Haar – tanzt ausgelassen. „Wir waren vor 45 Jahren zum ersten Mal hier und wollen Abschied nehmen“, erzählt Gisela Dreßler. Für sie und ihren Begleiter Jürgen war das Knaack, Mitte der Sechziger noch ein „Jugendklub mit Tanzmöglichkeit“, einst ihr zweites Zuhause. „Dass die Politik sich anscheinend nicht groß darum kümmert, dass immer mehr traditionsreiche Orte in Berlin sterben, ist sehr traurig”, sagt die 60-Jährige.

Traurig sind an diesem Abend viele. DJ Schmolli, der nach dem Konzert – leise – Musik auflegt und seit 1993 hier arbeitet genauso wie DJ Stan, der ihn später ablöst und dessen Eltern sich im Knaack kennengelernt haben. Auch Heiko Mohnke und Thomas Rose sind hier, um Abschied zu feiern. „Wir wären auch gekommen, wenn es eine Schlagerparty gewesen wäre“, sagt der 41-jährige Mohnke. Im Knaack habe er so viele tolle Bands gesehen.

Auf zum letzten Tanz. Gisela und Jürgen Dreßler feierten hier schon vor 45 Jahren. Nun nahmen auch sie Abschied.
Auf zum letzten Tanz. Gisela und Jürgen Dreßler feierten hier schon vor 45 Jahren. Nun nahmen auch sie Abschied.

© Paul Zinken

Nicht nur wehmütig, sondern auch besorgt hat Sabine Ennet vom Duncker-Club das langsame Sterben des Knaack beobachtet, wo sie selbst mal gearbeitet und eines der ersten Rammstein-Konzerte erlebt hat. Denn dem Duncker könnte, ebenfalls in Prenzlauer Berg, Ähnliches bevorstehen: Zurzeit wird in der Dunckerstraße ein Haus mit Eigentumswohnungen errichtet, dessen Balkone direkt zum Club zeigen. „Wir haben dem Bauherrn vor zwei Monaten einen sehr netten Brief geschrieben, um unsere Kooperationsbereitschaft zu bekunden“, sagt Ennet. Eine Antwort kam bisher nicht.

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