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"Female Leader of the Year Award": Näherin Nazma Akter wird geehrt

Nazma Akter gründete als Näherin in Bangladesch eine Gewerkschaft. Dafür wird sie hier geehrt.

Sie will immer nur vorwärtsgehen, nie zurück. Das ist Nazma Akters Credo, daran hat sich die 40-Jährige gehalten. Sonst säße sie vermutlich nicht in der Lobby des Swissotels. Am Donnerstag bekommt sie den „Female Leader of the Year Award 2013“ der nach der griechischen Göttin der Gerechtigkeit benannten „Astraia Foundation“. Er wird zum zweiten Mal verliehen und ist der Stärkung von Mädchen weltweit gewidmet. Ehrenvorsitzende sind unter anderem Rita Süssmuth und Joyce Banda, die erste Präsidentin Malawis.

Geboren in Dhaka in Bangladesch musste Nazma Akter die Schule nach der 4. Klasse verlassen. Der Vater verkaufte Gemüse, das Geld reichte aber nicht zum Leben für die zwei Großmütter, drei Brüder und eine Schwester. Die Mutter arbeitete bereits in einer Textilfabrik, die Tochter folgte ihr im Alter von elf Jahren. Sie begann als Helferin der Näherinnen, sechs Tage die Woche, 14, manchmal 15 Stunden lang, für umgerechnet 2,50 Euro im Monat. Die Familie brauchte das Geld. Hosen, Hemden, Röcke für die US-Kette Walmart. Bald konnte sie selber nähen und ihren Verdienst auf sieben, dann auf zehn Euro steigern. Aber oft sah sie zum Fenster hinaus und träumte davon rauszulaufen, zu spielen, zu lernen, nach Amerika zu fahren oder nach Italien. Das Trinkwasser war nicht gut, Schläge gab es auch, Löhne wurden mit Verspätung gezahlt.

Irgendwann haben die älteren Arbeiterinnen angefangen zu protestieren. Sie schloss sich an. Der Vater war wütend. Die Nachbarn redeten schon, hielten seine Tochter für einen schlechten Menschen, weil sie kämpfte und schrie, statt still zu sein, wie es sich gehörte. „Wenn man im Wasser lebt, kann man nicht mit den Krokodilen kämpfen“, zitiert sie einen Spruch, den sie damals oft zu hören bekam. 80 Arbeiter verloren ihre Jobs, darunter Nazma und ihre Mutter. Sie landeten auf einer schwarzen Liste, und es dauerte viele schwere Monate, bis sie neue Arbeit als Näherinnen bekamen. „Für arme Leute ist es sehr schwer, für ihre Rechte einzustehen“, sagt sie. In der nächsten Fabrik machte der Chef Avancen. Irgendwann kam es zum Eklat: „Ich habe ihn geschlagen.“ Schockstarre in der Fabrik, denn das war neu, dass sich eine Frau wehrt. Schließlich suchte sie Rat bei einer Gewerkschaft. Immer wieder bat sie um Hilfe – und fand sie. Europäer brachten ihr Englisch bei, sie lernte die Rechte der Arbeiter, wollte selbst helfen. Früh um sechs sprach sie Frauen vor den Fabriktoren an, nach 22 Uhr wieder. Die Männer beschuldigten sie, eine Hure zu sein, warum sonst sollte sie so spät draußen herumlaufen? „Heute gehe ich, wann ich will, und niemand sagt etwas. Ich bin stark und respektiert.“ Die Mutter von zwei Kindern hat eine eigene Gewerkschaft aufgebaut und eine Stiftung, hat 16 Frauencafés gegründet, in denen die Arbeiter mithilfe von Spielen über ihre Rechte aufgeklärt werden. Viele leiden unter Mangelernährung, andere brauchen Rechtsbeistand, wie die junge Frau, die ein Stück Leinen nahm, weil sie sich während der Menstruation nicht anders zu helfen wusste. „Wir wollen auch ein schönes Land haben wie eures, aber dazu brauchen wir mehr Bildung für Frauen“, sagt Nazma Akter.

Zur Preisverleihung werden prominente Frauen erwartet, unter anderem Initiatorin Kerstin Plehwe, Mount-Everest-Bezwingerin Cathy O’Dowd und Rallye-Dakar-Gewinnerin Jutta Kleinschmidt. Stars wie Cosma Shiva Hagen, Kim Fisher und Gitte Haenning wollen im BMW-Haus am Kurfürstendamm eine Näharbeit für bessere Bedingungen anfertigen.

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