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© dpa

Oscar: Berliner Goldjungen

Heute werden die Oscars verliehen, aber Hollywood ist auch hier. Einige Exemplare stehen schon jetzt in der Stadt.

Filmpreise gibt es scheußliche und ganz scheußliche, sagt Werner Sudendorf. „Der Oscar gehört zu den ansehnlichen.“ Er muss es wissen. Sudendorf ist Sammlungsleiter des Museums für Film und Fernsehen am Potsdamer Platz und damit Hüter des kostbarsten Oscars der Stadt, dem von Emil Jannings.

Berliner Oscars? Da fällt einem bei Spielfilmen, die den Preis als bester fremdsprachiger Film bekamen, „Das Leben der Anderen“ von 2007 ein. Die Produzenten sitzen in München, aber gedreht hat Florian Henckel von Donnersmarck sein Stasi- Drama in Berlin. Inzwischen ist er allerdings samt Oscar von Berlin nach L.A. verzogen. Aber da war schon vorher was: Volker Schlöndorff mit seiner „Blechtrommel“ 1980. Der Ex-Chef vom Studio Babelsberg wohnt zwar am Griebnitzsee, aber das ist ja fast Berlin. Ein Anruf in Babelsberg zerstört die Oscar-Hoffnung: Die Trophäe steht beim Produzenten in München. Und der des Berliners Manfred Durniok, des verstorbenen Produzenten des 1982 prämierten „Mephisto“, soll in Japan sein. Damals ging die Trophäe an den Produzenten statt an den Regisseur.

Bloß gut, dass bei der 82. Verleihung der Oscars in der Nacht zu Montag im Kodak Theater in Los Angeles so viele Berliner Beiträge wie nie auf der Kandidatenliste stehen: 13 Nominierungen. Wobei das Wort Beitrag großzügig ausgelegt ist. Drehort in der Region, Geld aus der Region oder ein einheimischer Darsteller – fertig ist der Berliner Oscar – in verschiedenen Kategorien vielleicht verliehen an „Das weiße Band“, „Inglorious Basterds“, „Ein russischer Sommer“ oder „Ajami“. Egal ob sich danach die Oscar-Dichte in der Stadt erhöht, schon jetzt sind einige da. Sie fallen bloß nicht auf.

Dekorativ auf dem Kaminsims, erotisierend auf dem Nachttisch, inspirierend auf dem Schreibtisch, sicher im Tresor? Nein. In Berlin wird der Oscar, der wichtigste Filmpreis der Welt, einfach im Regal aufbewahrt. Zu Hause im Arbeitszimmer, neben den anderen Pokalen. So hält es Regisseur Pepe Danquart, der die Trophäe, 1994 für seinen in einer Berliner Straßenbahn spielenden Kurzfilm „Schwarzfahrer“ verliehen, in Schöneberg im Bücherregal neben der „Lola“ stehen hat. So machen es der 2001 mit dem Kurzfilm-Oscar ausgezeichnete Florian Gallenberger („Quiero se“) und auch der deutsche Überraschungssieger des Vorjahres, Jochen Alexander Freydank. Sein Oscar, den er für den Kurzfilm „Spielzeugland“ bekam, steht in Friedrichshain im Regal. Wie fühlt sich die Statue an? „Schwer“, sagt Freydank. Knapp vier Kilo wiege das 35 Zentimeter hohe, dünn vergoldete Ding.

Verliehen wird der undotierte, aber durch seinen Nimbus unschätzbare Preis der US-amerikanischen Academy of Motion Picture Arts and Sciences seit 1929, inzwischen in mehr als 30 Kategorien. Rund 800 Millionen Menschen schauen sich weltweit die Fernsehübertragung an.

„Wahnsinn, dieser Hype hier“, sagt Jochen Freydank und meint die Preisverleihung heute. Sein Oscar hütet zu Hause die Wohnung ein. Er sitzt in Los Angeles auf der Hotelbettkante und berlinert ins Telefon. Seit Montag ist er in Hollywood und führt Gespräche mit Produzenten, weil hier zu den Oscars jeder jeden trifft. Was er dem Preis zu verdanken hat? „Einmal im Leben ein Upgrade beim Fliegen.“ Letztes Jahr bei der Rückreise von der „wie auf Autopilot“ erlebten Preisverleihung. Da hatte er seinen Oscar, „det sperrige Ding“, in der Plastiktüte dabei und wurde vom überraschten Flugpersonal prompt in die Businessclass umgesetzt.

„Jetzt fliege ich wieder Holzklasse“, sagt Freydank, der zwar im April seinen ersten „Tatort“ dreht und nächstes Jahr einen Spielfilm, aber eigene Projekte trotz des Oscar-Ruhms nicht leichter finanziert bekommt. Drei neue Kontakte hätten sich seither in Deutschland ergeben, erzählt er, in Amerika immerhin 40 – alle bislang ohne Ergebnis. Aber Donnersmarck saß ja auch erstmal drei Jahre hier rum, tröstet er sich. Als Preisträger ist er Mitglied der Academy und hat für die Oscars 2010 mit abgestimmt. Wie, verrät er nicht. Statt zur Show im Kodak Theater heute Abend geht er zu einer deutschen Oscar-Party. Warum denn das? Freydank lacht. „Ich hab’ vergessen, bei der Kartenlotterie für Preisträger mitzumachen.“ Und sein Oscar sei doch schon Vergangenheit.

Apropos Geschichte: 300 Dollar Materialwert hat die Statue, ein Art-Déco-Kraftmeier, der sein Schwert auf eine Filmrolle stützt – entworfen 1929 von Filmarchitekt Cedric Gibbons. 150 000 bis 200 000 Dollar ist der Versicherungswert des Oscars, der im Berliner Filmmuseum steht. Ganz unscheinbar, in einer Vitrine im zweiten Stock, „Transatlantik“ heißt der Raum. Von hinten zischen und knallen „Metropolis“ und „Dr. Mabuse“, von vorne plärrt ein Luis-Trenker-Film, dazwischen schaut stumm der leicht mit Patina bedeckte Oscar. Emil Jannings bekam ihn 1929 für die zwei Stummfilme „Der letzte Befehl“ und „Der Weg allen Fleisches“ – als erster Schauspieler überhaupt.

„Der ist doch nicht echt?“, fragt eine Besucherin, nachdem sie mitbekommen hat, dass dies der allererste Academy-Award für „distinguished Performances“ ist. Leonardo DiCaprio war genauso verblüfft, als er mit Sudendorf durchs Filmmuseum ging. „Das fasst man ja auch als amerikanischer Schauspieler nicht, dass der erste Oscar in Berlin steht statt in Amerika.“

So perfekt erhalten wie dieser ist der zweite des Filmmuseums nicht. Er lagert in der Außenstelle in Moabit. Gewonnen hat ihn der Filmarchitekt Hans Jürgen Kiebach 1973 für das Szenenbild von „Cabaret“. Die Statue sei öfter umgefallen und danach schief zusammengeschweißt worden, sagt Sudendorf. Er weiß sogar, wo Oscars Platz bei Kiebach war: „Im Bad.“

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