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Stadtleben: Preise öffnen den Blick in die Welt

Der neue Trend sind hochdotierte Ehrungen

Die erste feierliche Verleihung des Roland-Berger-Preises für Menschenwürde am Montagabend im Konzerthaus am Gendarmenmarkt war nicht nur eine Gala der Spitzenklasse, sondern auch die Spitze eines neuen Trends. Vereinfachungen im Stiftungsrecht machen Lust auf Motivation durch Preise. Das geschieht oft auch abseits vom Rampenlicht. Nicht jedem ist es gegeben, mit einer glanzvollen Inszenierung zu Herzen gehende Bilder zu schaffen. Bundespräsident Horst Köhler und der 70-jährige Unternehmensberater Roland Berger überreichten immerhin eine Million Euro an die Kambodschanerin Somaly Mam, die als Kind verkauft und zur Prostitution gezwungen wurde, die nie eine Schule besucht hat, sich aber aus ihrer Lage befreien und eine Hilfsorganisation für Kinder mit gleichem Schicksal aufbauen konnte. So viel bekommt sonst allenfalls ein Nobelpreisgewinner.

Nach der von Sabine Christiansen moderierten Zeremonie ging es beim anschließenden Gala-Dinner auch um wünschenswerte weitere Vereinfachungen des Stiftungsrechts, um mehr solcher Wunder wahr werden zu lassen.

Mit der außergewöhnlichen Kombination von Dotierung und Empfängerin hat Berger eine hohe Latte gesetzt. Berlin wird allerdings immer öfter Schauplatz von Preisverleihungen. Wenn auch meist unspektakulärer, geht es oft darum, soziales und kulturelles Engagement zu würdigen. Und dabei blicken viele Preisverleiher weit über die Landesgrenzen hinaus. Die mit 100 000 Euro dotierte Quadriga, die alljährlich am Einheitstag von der Werkstatt Deutschland an vier Preisträger verliehen wird, ging in diesem Jahr unter anderem an Ex-Genesis-Sänger Peter Gabriel und den in Brasilien lebenden Franziskaner-Pater Eckart Höfling. Amnesty International vergab den mit 10 000 Euro dotierten Menschenrechts preis an Gründerinnen der Organisation Woza („Women of Zimbabwe Arise!“), die noch kurz vor der Abreise im Gefängnis gesessen hatten. Den mit 10 000 US-Dollar dotierten Prix Montblanc bekam eine junge russische Violinistin in der Komischen Oper. Dass der Bundespräsident selbst einen Preis überreicht, ist die große Ausnahme. Normalerweise beschränkt sich Horst Köhler auf Highlights, wie den mit 250 000 Euro dotierten Zukunftspreis des Bundespräsidenten, den er am 3. Dezember in Berlin verleihen will.

Bei der Roland-Berger-Stiftung will man mit der außerordentlichen Höhe des Preises künftig einmal im Jahr einem besonderen Thema überdurchschnittliche Aufmerksamkeit verschaffen. Deshalb ist der Stifter auch dankbar für die Schirmherrschaft des Bundespräsidenten. Der erregte nicht nur durch seine Anwesenheit Aufmerksamkeit, sondern vor allem durch seine deutlichen Worte: „Ich schäme mich, dass Männer aus unserem Land sich an der sexuellen Ausbeutung von Frauen und Kindern in aller Welt beteiligen. Es ist eine Schande, dass Frauen zur Prostitution in unser Land geschleppt werden.“

Somaly Mam, selbst allein erziehende Mutter von drei Kindern, die 200 Kinder aus Bordellen befreite und ihnen ein Zuhause geschaffen hat, kämpfte bei ihrer Danksagung mit den Tränen. Noch im September hatte sie große Probleme, genug Essen für alle kaufen zu können. „Das Geld hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können“, sagt sie am Morgen danach beim Frühstück. Allein 52 ihrer Kinder sind unter 16 Jahren alt, vor vier Wochen holte sie ein erst vierjähriges Mädchen aus einem Bordell. Trotz des Glücks hat sie in der Nacht wie so oft Albträume gehabt.

In ihrer Heimat ist sie ständig in Gefahr, denn durch ihre Arbeit hat sie sich viele Zuhälter zu Feinden gemacht. Angst vor dem Sterben hat sie nicht: „Die Menschen sterben an Unfällen, an Krankheiten. Wenn ich für eine gute Sache sterben muss, dann tue ich es.“

Vielleicht ist das die beste Nebenwirkung der neuen Lust am Preise stiften. Verleihungen wie diese öffnen den Blick in die Welt und in Dimensionen von Mut und Tatkraft, von denen man hier nur lernen kann. Elisabeth Binder

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