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Dampferfahrt

© Imago

Saisonstart: Bord zum Sonntag

Dampferfahrten sind nur was für Touristen? So ein Seemannsgarn. Auch Berliner können an Deck etwas über ihre Stadt lernen.

Die billigste Kreuzfahrt führt von Wannsee nach Kladow. Für die 20 Minuten über die Havel reicht ein Ticket für 2,10 Euro, die „Kohlhase“ gehört der BVG. Und das Beste: Die Fähre ist derzeit streiksicher, denn die BVG steuert nicht selbst, sondern hat einen Spezialisten beauftragt: die „Stern und Kreis“, Berlins größte Ausflugsreederei.

Mit 31 Schiffen ist die „Stern und Kreis“ diese Saison auf Spree und Havel unterwegs. Die meisten Fähren sind jetzt schon gut gefüllt, auch an bewölkten Tagen mit Nieselregen. Die Touren sind schließlich nicht nur unterhaltsam, sondern auch lehrreich – selbst für Berliner. Denn so schnell, wie sich die Stadt verändert, verliert man leicht den Überblick. Kanzleramt und Hauptbahnhof kennt man, aber was ist mit den ganzen neuen Glaspalästen, die vor allem auf Friedrichshainer Spreeseite wachsen und schon gewachsen sind? Im Osthafen etwa, der bekanntlich die längste Zeit Hafen gewesen ist, bauen Fernsehsender und Modelabels um die Wette. Da bekommt man vom Oberdeck aus jedes halbe Jahr etwas Neues zu sehen. Und der Ausflugsdampferkapitän, im Nebenjob Stadtführer, erklärt einem, was dort vor sich geht.

Noch schöner: Es gibt noch so viele freie Flächen, die einem aus dem Auto oder der S-Bahn gar nicht auffallen, dass die gleiche Tour im kommenden Jahr schon wieder einen völlig neuen Anblick bieten wird. Und man hofft, dass verfallene Ecken wie das Gröbenufer, zu Mauerzeiten immerhin der einzige Ort, von dem der Kreuzberger die Spree sah, irgendwann saniert werden.

Gegenüber wird bereits kräftig gebaut: An der O2-Arena entsteht gerade ein neuer Anleger für die weiße Flotte, ebenso im Humboldthafen unterhalb des Hauptbahnhofes – beides Ecken mit beträchtlichem Touristenpotential. Früher wurde Berlin aus dem Kahn gebaut, heute kann es aus dem Kahn bestaunt werden.

Wobei moderne Schiffe wie die „Sanssouci“ von „Stern und Kreis“ oder die „Spree-Comtess“ von Riedel das Wort „Kahn“ nicht verdient haben. Viele Berliner Reeder haben in den vergangenen Jahren kräftig investiert. Auch der Neubau, den die „Stern und Kreis“ in zwei Wochen in Dienst stellt, wird topmodern sein. Der Name des Schiffes soll erst am Tag der Taufe bekannt gegeben werden, diesen Aberglauben haben sich die Reeder bewahrt.

Erstmals transportierte „Stern und Kreis“ im vergangenen Jahr eine Million Menschen. „Wir sind zweistellig gewachsen, noch stärker als der Berlin-Tourismus“, freut sich Stern-und-Kreis-Geschäftsführer Jürgen Loch. 75 Prozent des Geldes wurden 2007 mit Kurzfahrten auf Spree und Landwehrkanal verdient, vor zehn Jahren waren es etwa 33 Prozent. Diese Steigerung ist vor allem den Touristen zu verdanken. Die lassen sich nicht einmal vom schlechten Wetter abschrecken, lobt Loch, „die fahren immer“. Die klassischen Ausflugslinien dagegen, nach Werder oder Erkner zum Beispiel, „sind bei Regen völlig leer“. 2007 war das fast ganzjährig der Fall, schließlich fand der Sommer überwiegend im April statt. Jürgen Loch hofft, dass es dieses Jahr besser läuft, sonst seien die Strecken ernsthaft bedroht. Andere Reeder haben sich bereits von Müggelsee und Wannsee zurückgezogen und verdienen lieber sicheres Geld zwischen Kanzleramt und Berliner Dom, eine Stunde hin und zurück.

Der Touristenboom ist so groß, dass er im vergangenen Jahr nicht nur das Regenwetter ausgeglichen hat, sondern auch die Sperrung des Landwehrkanals. Fünf Wochen lang war der Kanal dicht, weil angeblich Bäume ins Wasser zu stürzen drohten – so war die beliebteste Tour der Berliner Reeder, die gut dreistündige Brückenfahrt im Kreis über Spree und Kanal, leider unmöglich. Seitdem ist der Landwehrkanal eine Einbahn-Wasserstraße, und das noch mindestens zwei Sommer lang.

Die Reeder, die sich traditionell nicht immer grün sind, haben sich zusammengesetzt und die Fahrpläne aufeinander abgestimmt, so dass jeder seine Durchfahrtzeiten garantiert hat. Immerhin gibt es, sagt Stern-und-Kreis-Chef Loch, in diesem Jahr eine Zusage der Behörden, dass der schmale Kanal nicht mitten in der Saison für Bauarbeiten gesperrt wird.

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