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Satire: Oh, Ackermann

Der Berliner Liedermacher und Slam-Poet Marc-Uwe Kling bestreitet alle Mordabsichten. Vielmehr nehme er die Stammtisch-Empörung über Josef Ackermann aufs Korn.

Josef Ackermann, viel gescholtener Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, erhält Schützenhilfe aus dem Hause Axel Springer. „B.Z.“ und „Welt“ stellen derzeit den Berliner Liedermacher Marc Uwe Kling an den Pranger, weil der in seinem Lied „Hörst du mich, Josef“ zum „brutalen Mord“ an Ackermann aufrufe. „Wir legen dich in Ketten und werfen dich ins Verließ, wir schlagen deinen Kopf ab und stecken ihn auf ’nen Spieß“, heißt es in dem satirischen Song, mit dem Kling seit vier Jahren unbeanstandet auf zahlreichen Berliner Bühnen auftritt.

Wie die „B.Z“ erst jetzt entdeckte, hetzt Kling dort „gegen Reiche und schwärmt von Proletariern, und sein bürgerlich studentisches Publikum kichert begeistert über die Sozialneid-Songs“. Grund genug für die Blätter, Politiker und Anwälte um Kommentare zu bitten. Rechtsanwalt Peter Raue bezeichnete Kling prompt als „Idioten“ und ordnete das Lied als „justiziabel“ ein. Die „Welt“ fragte auch bei Radio „Fritz“ nach, ob es weiterhin Klings Kolumne „Neues vom Känguru“ senden werde. Die Antwort: ja.

Was darf Satire?

Der 26-jährige Liedermacher, zweifacher deutscher Poetry-Slam-Meister und Träger diverser Kabarettpreise, nimmt die Attacken gelassen: „Ich kann mir zusammenreimen, dass das gerade gut in die Nachrichtenlage passt“, sagte er dem Tagesspiegel. Natürlich rufe er nicht zum Mord an Ackermann auf. „Wer das sagt, übersieht mit Absicht den satirischen Charakter des Lieds.“ Vielmehr nehme es die Stammtisch-Empörung über Ackermann aufs Korn. In der letzten Strophe wird Klings „Mordplan“ demontiert: „In diesem nachdenklichen Part geb’ ich zu verstehen/ Moralisch ist das Ganze eher kritisch zu sehen/ Ich würd’s auch nicht machen, ist mir zu krass, ist nicht mein Stil / Schließlich muss man anmerken: Bringt ja auch nicht viel/ Wir sollten mal lieber, anstatt uns nur zu echauffieren/ Ein paar Banken zerschlagen und Konten einfrieren.“

Was darf Satire? Knifflige Frage, spätestens seit Tucholsky mit einem lautstarken „Alles“ konterte. Als Christoph Schlingensief bei seiner „Tötet Helmut Kohl“-Aktion auf der Documenta 1997 verhaftet wurde, sagte der Polizist auf dem Revier zu ihm, er mache das nur, weil er Familie habe. (Darauf Schlingensief: „Ich hätte gerne Familie.“)

Live rahmt Marc-Uwe Kling sein Lied stets mit den Songs „Warum kommt meine Ironie nie durch?“ und „Gewalt ist keine Lösung“ ein. Zaunpfahlwinke, kaum zu übersehen. Als Kling 2007 im Mehringhof-Theater auftrat, feierte ihn die „Morgenpost“ als „Shootingstar der Kleinkunstbranche“. Dass er seinen „Mordaufruf“ verbreitete, schien nicht zu stören. „Schön“, schrieb der Rezensent, „wenn das Kabarett mal wieder so richtig zum Nachdenken anregt.“ Jens Mühling

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