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Soziale Netzwerke: Facebook treibt die Berliner ins Freie

Es hat sich anscheinend herumgesprochen, dass das olle "Face to Face" irgendwie doch mehr Spaß macht als das eigenbrötlerische „Face to Facebook“. Deswegen wird via Internet wieder das echte menschliche Zusammentreffen organisiert - auch am Valentinstag.

„Hans Müller ist gerade Schlittschuhlaufen auf dem Landwehrkanal.“ - „Hans Müller sitzt mit Kaffee und Zeitung im Café. Herrlich!“ Hans Müller nervt. Und seine Facebook-Statusmeldungen, die von seinem herrlichen Leben erzählen, auch. Der Grund, warum es möglich ist, den ganzen Tag mit fiebrigem Blick bei Facebook zu verbringen, am Abend erschöpft vom Nichtstun den Computer auszuschalten und vom Tag lediglich das leise Gefühl behalten zu haben, dass man das langweiligste Leben von allen 400 Millionen aktiven Facebooknutzern hat, hat viel mit Statusmeldungen zu tun. Meldungen also, die man neben seinen Namen tippt, die vorzugsweise berichten, was man gerade Tolles tut, und die dann direkt bei allen virtuellen Freunden unter „Neuigkeiten“ erscheinen.

Der Trugschluss war dabei eigentlich schon immer klar: Wer wirklich gerade kopfüber an einem Gummiseil vom Fernsehturm baumelt, hat keine Zeit, noch schnell sein Smartphone zu zücken und „macht gerade Bungeejumping“ in die Welt zu posten. Wie schön kann der Schlittschuhlauf auf dem Landwehrkanal eigentlich sein, wenn der erste Gedanke dabei ist, erst mal kurz online zu gehen.

Scheinbar hat sich herumgesprochen, dass das olle „Face to Face“ irgendwie doch mehr Spaß macht als das eigenbrötlerische „Face to Facebook“. Deswegen wird via Internet wieder das echte menschliche Zusammentreffen organisiert. Das Vereinsamungsmedium hilft plötzlich dabei, wieder das Haus zu verlassen. Weil es doch schöner ist, sich zusammen am Teufelsberg zum Schlittenfahren zu treffen, als allein in seinen Statusmeldungen über den Winter zu schimpfen. Eine Facebook-Gruppe gründet sich in drei Mausklicken, und wen das Event interessiert, der kann eingeladen werden und mitmachen.

Deswegen fand im Januar die Massenschneeballschlacht am Teufelsberg statt, zu der mehrere hundert Menschen kamen und bei Glühwein und Musik andere Menschen mit Schneebällen bewarfen oder rodelten. Und das über Facebook organisierte „Team Kreuzberg“ schlug im Januar das „Team Neukölln“ bei der Schneeballschlacht im Görlitzer Park nach vierstündigem erbitterten Kampf, 600 User hatten zugesagt. Die Revanche ist bereits für den nächsten Winter auf Neuköllner Terrain angekündigt, in der Hasenheide.

Auch am heutigen Valentinstag wollen sich Facebook-Nutzer in der Stadt treffen, und zwar genau um 14.02 Uhr auf dem Pariser Platz. Die Veranstaltung heißt „Küss mich Berlin“ – was dort genau passiert, ist offiziell noch geheim, doch eingeladen sind Singles wie Paare, und der Veranstalter schreibt, es könnten sich womöglich auch neue Paarkombinationen ergeben. Im vergangenen Jahr gab es eine ähnliche Aktion auf dem Alexanderplatz: Damals versammelten sich dutzende junge Menschen zu einem fünfminütigen Dauerküssen. An der heutigen Veranstaltung wollen mindestens 170 Facebook-Nutzer teilnehmen.

Letzten Samstag verabredete sich Berlin in kollektivem Winterprotest zum Eisessen an verschiedenen Orten. Als wichtige Veranstaltung natürlich nicht zu vergessen ist der „internationale Jogginghosentag“: Ende Januar wurde via Facebook dazu eingeladen, an einem bestimmten Tag einfach mal im Jogger zur Arbeit zu gehen. Die Teilnehmerzahl lag bei 133 156, zumindest ein mutiger Teil von ihnen wird kommentarlos im Jogger im Büro eingelaufen sein. Einer der Aktionsgewinner hat sein Foto auf der Gruppenseite online gestellt, es zeigt ihn als Arzt im OP, in typischer grüner OP-Kluft, Mundschutz und Adidasjogger.

Vor allem Events mit winterlichem Subkontext sind aus aktuellem Anlass schwer angesagt: Die BerlinCityMobber, eine Berliner Gruppe, die Flashmobs organisiert, plant für Samstag, den 20. Februar, einen „Freeze“-Flashmob: An einem momentan noch geheimen Ort werden die bisher 338 registrierten Teilnehmer für fünf Minuten plötzlich bewegungslos in einer Pose „einfrieren“, um danach normal weiterzulaufen und so zu tun, als sei nichts gewesen. Und die Berliner Jasper Hellmann und Alexander Kniessner haben nur mal kurz über Facebook besprochen, dass sie zusammen nach Stockholm fliegen, um dort in einer Bar, die komplett aus Eis ist, zu feiern. Als plötzlich immer mehr Berliner fragten, ob sie nicht mitkommen könnten, haben sie Flüge für die anderen mitorganisiert. An diesem Wochenende nun fliegen mehr als 200 Berliner nach Stockholm und am nächsten Tag zurück.

Das nächste Facebook-Massenevent heißt dann schlicht und nachvollziehbar: Sommer. Teilnehmerzahl momentan: 158 991. Die Beschreibung: „Auf vielfachen Wunsch findet der Sommer auch dieses Jahr wieder statt. Bitte rechtzeitig anmelden, da die Plätze begrenzt sind!“

 Elena Senft

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