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© Uwe Steinert

Schausterllerfamilie: Spaß im Blut

Seit fünf Generationen arbeitet Familie Wollenschlaeger als Schausteller.

Als Thilo-Harry Wollenschlaeger klein war, liebte er es, seinem Vater abends beim Abbau der Verlosungs- und Fahrgeschäfte der Familie zu helfen. „Wenn der Jahrmarkt vorüber war, fuhr mein Vater mit dem Lkw über das Festgelände, und ich saß glücklich hinten auf der Ladefläche“, erinnert sich der heute 42-Jährige, der den Berliner Schaustellerbetrieb Wollenschlaeger bereits in der fünften Generation führt. Seine Ururgroßeltern fuhren mit einer Reisebäckerei über die Jahrmärkte, sein Ur- und Großvater besaßen unter anderem eine große Holzachterbahn und ein Kettenkarussell in Treptow. Wollenschlaegers Vater begründete 1949 den Schaustellerverband Berlin und war 24 Jahre Präsident des Deutschen Schaustellerbundes, dessen Jahrestreffen mit 500 Mitgliedern noch bis Mittwoch in Berlin stattfindet.

Die sechste Generation wächst bei Wollenschlaegers bereits heran. Zumindest ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass die neunjährige Tochter Paula und der dreijährige Sohn Thilo, die so fröhlich und fast schon professionell in die Kamera des Fotografen winken, einmal den Familienbetrieb übernehmen werden. Die Begeisterung für das Jahrmarktsgeschäft, das Bunte, Laute und Unbeschwerte, scheint ihnen in die Wiege gelegt. Denn auch ihre Mutter Diana Huchel, Hotelierstochter aus Schönwalde, ist durch die Beziehung mit Wollenschlaeger zu einer Schaustellerin mit Leib und Seele geworden: „Irgendwann drückte mir jemand an einem unserer Verlosungsgeschäfte plötzlich ein Mikro in die Hand – da konnte ich nicht mehr zurück“, sagt sie lächelnd.

Heute ist die 38-Jährige fast sechs Monate im Jahr als Organisatorin und Moderatorin auf deutschen Festwiesen unterwegs, während die Kinder zu Hause vom Vater, den Großeltern oder einem Kindermädchen betreut werden. 50 Prozent Gewinnausschüttung sind bei den Lotteriegeschäften gesetzlich vorgeschrieben, und Huchel sorgt dafür, dass die Kunden am „Jolly Joker“ oder am „Großen Schlaraffenland“ sich wirklich über ihre Gewinne freuen. „Es macht großen Spaß, für die Verlosungen einzukaufen. Ich fülle die Regale gern richtig voll mit allem, was gerade im Trend liegt“, so Huchel. Im vorigen Jahr seien das viele Artikel von „Hello Kitty“ und Mützen und T-Shirts des Labels „Ed Hardy“ gewesen.

„Es ist schön, in einem Beruf zu arbeiten, der den Menschen Freude macht", sagt auch Wollenschlaeger. Für ihn, der mit einem Stamm von 15 festen Mitarbeitern vor allem in und um Berlin arbeitet, beginnt die Saison mit dem Spandauer Volksfest am 11. März und endet mit den Weihnachtsmärkten. Dazwischen liegen etliche Veranstaltungen, von denen Wollenschlaeger einige selbst organisiert: die Britzer Baumblüte, die Hennigsdorfer Festmeile und das Spandauer Oktoberfest – viel Arbeit, die nicht nur Spaß mache. Das Kernproblem seien die schlechten Rahmenbedingungen. „Der Senat und die Bezirke signalisieren kein großes Interesse an unseren Volksfesten. Im Gegenteil, die Gebühren und Platzmieten sind unverhältnismäßig hoch und gefährden das Überleben der Veranstaltungen“, sagt Wollenschlaeger. Für seine Kinder will er zunächst einmal nur eines: eine gute Bildung. Der Rest, ob im Schaustellergewerbe oder nicht, werde sich schon ergeben, so der Schausteller. Da schwingt Hoffnung mit, denn das Familienmotto lautet: „Wer keine Tradition hat, hat auch keine Zukunft.“ Eva Kalwa

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