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Stadtleben: Tanz der Bilder und der Telefone

Die schönsten Franzosen sollen es schön haben: ein Job für Katharina von Chlebowski und André Odier

Ihr Schlaf ist so kurz, jetzt vor der Ausstellungseröffnung. Nur in kleinen Dosen zu kriegen, meint Katharina von Chlebowski und rückt die Sonnenbrille im Haar zurecht. Seit drei Wochen arbeiten sie und ihr Kollege André Odier, 45, täglich bis Mitternacht durch. Aber zu schaden scheint’s ihnen nicht. Im Sauseschritt stiefeln sie durch die abgedunkelten Räume im Souterrain der Neuen Nationalgalerie, wo schon die „schönsten Franzosen“ an den Wänden leuchten. An jedem Hals hängt ein Handy und bimmelt alle naselang.

Zwei Jahre lang haben der künstlerische Leiter Odier und die für die Finanzen zuständige von Chlebowski von den Freunden der Nationalgalerie die spektakuläre Schau vorbereitet: Sponsoren gefunden, Bilder ausgewählt und versichert, Konzept und Marketing ausgeheckt. Und seit drei Wochen nehmen sie die Kisten mit 150 Gemälden von Gauguin, Toulouse-Lautrec oder Modigliani aus dem Metropolitan Museum of Art in New York in Empfang. „Über 100 Leute haben beim Aufbau mitgemacht“, sagt Odier, „allein 22 Kuriere und 14 Speditionsmitarbeiter“. Vor 15 Jahren hat der studierte Philologe aus Frankreich als Plakatroller in der Nationalgalerie angefangen. Seine Kollegin von Chlebowski ist Kunsthistorikerin und Betriebswirtin und seit 2003 dabei.

Am Freitag öffnet die Ausstellung mit französischen Meisterwerken des 19. Jahrhunderts. Heute Abend feiern der Bundespräsident, der Regierende Bürgermeister und der französische Botschafter schon mal mit geladenen Gästen vor. Gearbeitet wird bis zur letzten Minute: Staubsauger heulen, ein Elektriker im Blaumann steht auf der Leiter und richtet einen Spot auf Claude Monets wunderweiße „Eisschollen“ von 1893. Im Rodin-Raum klebt eine Frau sehr vorsichtig eine Folie mit großbuchstabigem Text an die Wand. Der sei schwer auszuleuchten gewesen, sagt André Odier. Jetzt werfen der weiße Marmor und die fünf Bronzeplastiken kleine dezent-dramatische Schatten. „Zuerst war’s zu sachlich, und dann zu gruselig“, erzählt er.

Ein Großprojekt wie dieses zu stemmen, haben die beiden unter anderem bei der MoMA-Ausstellung vor drei Jahren geübt. Ob sie trotzdem Lampenfieber haben? Klar, sagt Katharina von Chlebowski, sie seien total gespannt auf Freitag. „Erst wenn die Leute kommen, merkt man, was falsch geplant ist.“ Dann stünden Besucher verkehrt herum am Kassenhäuschen, Schilder seien zu klein oder zu hoch gehängt. Und los geht’s mit der Korrekturarbeit. „Das ist eine unheimlich komplexe Maschinerie, die wir steuern, bis endlich alle unten vor den Bildern stehen.“

Spricht’s und deutet auf ihr Lieblingsbild: Monets impressionistischer „Garten am Meer in Saint-Adresse“. Blauer See und üppige Blüten. „Da möchte ich am liebsten reinhüpfen“, sagt von Chlebowski. Der Favorit von André Odier ist ein Bauernidyll: Millets „Heuhaufen im Herbst“. „Das kenne ich aus dem Geschichtsbuch“, sagt er. Und überhaupt freue er sich als Franzose, dass Berliner und Gäste hier auch unbekanntere französische Maler kennenlernen könnten.

Die hängen in üppig geschnitzten Holzrahmen an den sachlich-weißen Wänden. Kein Chichi – nur Kunstwerk, Titel, Raumtext und Schluss. Das sei das strikte Konzept“, meint Odier. „Draußen ist es bunt und laut, viel Werbung, aber drinnen herrscht Ruhe statt Geschrei und die Kunst regiert.“ Von Chlebowskis Telefon bimmelt. Und der Charakter der Ausstellung? „MoMA war eckig und sexy, aber Met in Berlin ist schön“, sagt Odier. Die Bilder seien ein Tanz mit dem Leben, eine Feier sinnlicher Schönheit: „Weiblichkeit, Landschaften und gutes Essen.“

Zu sehen sind sie vom 1. Juni bis 7. Oktober in der Neuen Nationalgalerie. Alle Infos unter www.metinberlin.org

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